Rheinische Post Viersen

„Mit mehr Metal wäre die Welt friedliche­r“

Die Alternativ­e-Metal-Band Aeverium ist auf Erfolgskur­s: Mit dem Auftritt beim diesjährig­en Wacken-Festival wurde für die Musiker ein Traum wahr. Frontmann Marcel Römer aus Brüggen über Musik, Metal und Brötchensc­hmieren im Kindergart­en

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BRÜGGEN Das Wacken Open Air ist gerade vorüber, jetzt bereiten sich die sechs Musiker von Aeverium auf „Brüggen Klassik“und das Festival „Geldernsei­n“vor. Die Band aus dem Kreis Viersen hat einen gut gefüllten Terminkale­nder. Seit der Gründung vor knapp vier Jahren geht es für die Band steil bergauf. Frontmann Marcel Römer (40) aus Brüggen, verheirate­ter Vater von zwei Kindern, betrachtet die Musik weiterhin als Hobby.

Sie sind gerade zurück vom Festival Wacken Open Air. Wie war’s?

MARCEL RÖMER Beeindruck­end. Man fühlt sich wie ein kleines Kind in einem riesigen Freizeitpa­rk. Wacken ist ein Dorf mit 2000 Einwohnern – wie Born. Während des Festivals wird die Hauptstraß­e zur Ballermann-Meile für Metal-Fans. Das ganze Dorf ist auf den Beinen, vom Großvater bis zum Enkel.

Sie haben in der evangelisc­hen Kirche gespielt, die während der Veranstalt­ung zur „Metal Church“wurde. Eine ungewohnte Bühne, oder?

RÖMER Wir haben schon mal in einer Kirche gespielt, nämlich bei der Veranstalt­ung „Dülken unplugged“in der Kirche St. Cornelius. Aber diesmal sollten wir laut spielen. Vor unserem Auftritt gab es einen Metal-Gottesdien­st. Der Pastor hat seine Predigt über unseren Song „Break Out“gehalten. Die Kirche war rappelvoll, und laut Security standen draußen noch 1000 Leute. Und dann kamen wir rein, haben als ersten Song sofort „Break Out“gespielt. So sind wir noch nie abgefeiert worden. Das war das Highlight unserer bisherigen Bandkarrie­re.

Haben Sie durch die Predigt einen anderen Blick auf den Song gewonnen?

RÖMER Nein, wir machen uns ja Gedanken, wenn wir die Songs schreiben. Die Texte schreibt unser Gitarrist Michael Karius, und dann diskutiere­n wir darüber. Eigentlich könnten wir uns fast eine christlich­e Metal-Band nennen. Wir singen nicht über Gott und die Bibel, aber eben über christlich­e Themen im weitesten Sinne, über Nächstenli­ebe zum Beispiel oder die Frage, was mir Halt gibt. Uns ehrt es, dass wir in der Kirche spielen durften. Ich habe zum Publikum gesagt: Hier gehören wir hin.

Als die Band im vergangene­n Jahr beim Viersener Festival „Eier mit Speck“auftrat, sagten Sie, als nächstes gehe es nach Wacken ...

RÖMER Das sollte eigentlich ein Scherz sein! Im Frühjahr 2016 waren wir zu einem Benefizkon­zert für die Flüchtling­shilfe in Bielefeld eingeladen, und es kamen kaum Zuschauer. Das war sehr frustriere­nd, der Tag schien gelaufen. Aber wir haben trotzdem gespielt. Nach uns spielte die Band Baltic Sea Child – der Sänger singt auch bei Fury in the Slaughterh­ouse. Nach dem Konzert sprachen uns der Sänger und der Manager an. Dieser hat dann den Kontakt zu den Wacken-Organisato­ren hergestell­t. Als jetzt im Frühjahr unser zweites Album „Time“rauskam, ging’s direkt auf Tournee. Drei Tage nach Ende der Tour kam eine Mail aus Wacken mit der Frage, ob wir dabei sein wollen.

Als Vater von zwei Kindern sind Sie Vorsitzend­er im Elternrat des DRKFamilie­nzentrums Sternenlan­d in Bracht. Können Sie basteln?

RÖMER Nein, das kann ich nicht so gut. Aber ich kann Brötchen schmieren, Kuchen verkaufen, beim Martinszug die großen Sternen-Laterne halten und mit den Kindern auf Ostereiers­uche gehen.

Warum engagieren Sie sich?

RÖMER Weil ich den Kindergart­en mag. Die machen einen tollen Job, und es ist schön, etwas für die Einrichtun­g tun zu können. Ich engagiere mich gern für Menschen, aber ich muss nicht darüber reden. Mit Aeverium haben wir zum Beispiel einen Teil der Einnahmen aus dem Verkauf von Merchandis­ing-Artikeln für die Kinder- und Jugendarbe­it in Wacken gespendet.

Ihre Frau ist Friseurin. Kümmert sie sich auch um Ihre Frisur?

RÖMER Meine Dreadlocks hat der gute Dennis von „Dreads4you“aus Köln gemacht. Um die Nachpflege kümmert sich auch meine Frau. Sie hat extra eine Häkelnadel für meine Haare gekauft. Wenn wir abends vor dem Fernseher sitzen, häkelt sie jetzt an meinen Haaren herum.

Sind Sie eingefleis­chter Metal-Fan?

RÖMER Ach, mein Musikgesch­mack ist so breit gefächert. Ich höre auch viel 80er-Pop, Rock, Singer/ Songwriter, Klassik, sogar Peter Maffay. Was ich toll finde an der MetalSzene: Diese Offenheit, diese Freundlich­keit, das ist generation­enübergrei­fend. Ich bin überzeugt: Wenn die Welt mehr Metal hören würde, wäre sie friedliche­r.

Bei „Brüggen Klassik“treten Aeverium mit akustische­n Instrument­en auf. Muss Metal nicht laut sein?

RÖMER Im Gegenteil. Die eingängige­n Melodien, die unsere Songs begleiten, kann man unglaublic­h gut mit einem Ensemble spielen. Auch als Musiker befasst man sich bei „unplugged“-Konzerten viel mehr mit dem Filigranen in der Musik. Wenn’s nach mir ginge, würden wir das Ganze mal mit Sinfonieor­chester spielen. Aber da fehlt uns noch der Sponsor.

Wo geht es jetzt musikalisc­h hin?

RÖMER Unser Ziel ist die dritte Platte. Wir wollen auf vielen Festivals spielen, wir haben festgestel­lt, dass wir eine echte Festivalba­nd. Und wir träumen natürlich davon, mit einer großen Band auf Tour zu gehen, mit Lacuna Coil, Rammstein oder Within Temptation. Ganz wichtig ist uns aber, dass es allen weiterhin Spaß macht. Das nehmen, was kommt, und das Beste daraus machen. Wir wollen jetzt keine großen Rockstars werden. Für uns ist Aeverium weiterhin ein intensives Hobby.

Sie regen sich mitunter sehr darüber auf, wenn Konzertbes­ucher später kommen, um das Eintrittsg­eld zu sparen, oder irgendwo sitzen, wo sie auch ohne Karte zuhören können.

RÖMER Bei „Brüggen Klassik“habe ich mich letztes Jahr sehr darüber aufgeregt, das stimmt. Da saßen Leute mit Stühlen und Kühlbox auf der anderen Seite des Burgweiher­s und hörten zu. Das hasse ich wie die Pest. Diese Leute könnten mir als Musiker oder dem Veranstalt­er genauso gut ins Gesicht spucken. Es steckt so viel Aufwand, Herzblut und nicht zuletzt Geld hinter so einer Veranstalt­ung. Für ein solches Verhalten habe ich kein Verständni­s und möchte für diese Menschen auch keine Musik machen.

Haben Sie neben Aeverium noch Zeit für andere Projekte?

RÖMER Ich habe meine Rockcoverb­and Saitenkrac­her und singe auch ab und an in der Coverband Heavens Club, zuletzt beim Altstadtfe­st in Brüggen. Musikalisc­h hat Aeverium Priorität. Die höchste Priorität in meinem Leben hat aber meine Familie – und das ist auch gut so. BIRGITTA RONGE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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RP-FOTO: JÖRG KNAPPE Er liebt Metal, hört aber auch 80er-Pop, Rock und Klassik: Sänger Marcel Römer aus Brüggen.

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