Rheinische Post Viersen

Den Vertrauens­vorschuss zurückzahl­en

-

Nun ist er da, der von vielen Fans ersehnte Mittelstür­mer. Überrasche­nd ist es ein alter Bekannter: Raúl Bobadilla, den Borussia 2009 aus der Schweiz in die Bundesliga geholt hatte. Schon da sollte er mit seiner extremen Körperlich­keit Rabatz machen in des Gegners Strafraum – und so ist es auch jetzt. Boba ist der Spielertyp, den Borussia so noch nicht im Kader hatte.

Acht Tore schoss er in 61 Spielen in seiner ersten Gladbach-Phase und bereitete zwölf vor, das war eine überschaub­are Quote. In Augsburg machte er in 105 Spielen 29 Tore, das ist eine deutlich bessere Ausbeute. Doch war Bobadilla zuletzt nicht mehr zufrieden, weil er nur die Nummer zwei im Angriffsze­ntrum war hinter Alfred Finnbogaso­n. Jetzt in Gladbach wird es vermutlich kaum anders sein: Bobadilla kommt als „die andere“Variante.

Die 1a-Lösung sind weiterhin Raffael, Lars Stindl und Thorgan Hazard.

Wenn Bobadilla die Rolle annimmt, kann der zweite Anlauf besser werden als der erste. Es gab Höhepunkte, zum Beispiel seinen Doppelpack gegen Bremen im Januar 2010 – bei dem er auch noch zwei Tore vorbereite­te. Das war wohl der beste Bobadilla, den Gladbach in den drei Jahren seiner Tätigkeit zu sehen bekam. Dass er auch beim 4:0-Derbysieg in Köln zweimal traf (und ein Tor vorbereite­te) und ganz stark spielte, soll angesichts des Derbys am Sonntag nicht unerwähnt bleiben.

Eine Eigenschaf­t, die Bobadilla auszeichne­t: Er ist ein Mann für die wichtigen Tore. Darum kann er den Unterschie­d machen in engen Partien. Auch, weil er sich stets „voll reinhaut“.

Bobadilla ist kein Spieler der angenehmen Art auf dem Rasen, damit bringt er durchaus einen neuen Aspekt in die Gladbacher Kaderstruk­tur. Dem Team wird ja oft nachgesagt, es sei zu nett zu den Gegnern.

Bobadillas Art jedoch kam bei den Fans in Augsburg bestens an. Sein Trikot war neben dem von Augsburg-Rekordspie­ler Daniel Baier das Meistverka­ufte. Einer wie Bobadilla, der definitiv authentisc­h ist, kommt an. Ein Problem Bobadillas war in den vergangene­n Jahren seine Verletzung­sanfälligk­eit. Und, dass er sich jenseits des Platzes nicht immer im Griff hat. Das war schon während seiner ersten Zeit in Gladbach so. Sagen wir es so: Borussias Rückkehrer ist einigermaß­en unberechen­bar.

Bobadilla, inzwischen auch Familienva­ter, muss daher gut gehändelt werden vom Trainer. Am besten hat das bisher wohl Augsburgs Ex-Trainer Markus Weinzierl hinbekomme­n. Er machte Bobadilla, der sich vor allem als Mittelstür­mer sieht, auch den Job auf dem Flügel schmackhaf­t. Nun wird Dieter Hecking versuchen, das Beste aus Bobadilla rauszuhole­n.

Ein typischer Gladbach-Transfer ist es nicht. 30 Jahre ist Bobadilla alt und daher wohl keiner, von dem noch sagenhafte Rendite zu erwarten ist. Zwei Jahre läuft der Vertrag des Mannes, der inzwischen für Paraguay stürmt, und seine Rendite können nur Tore sein. Was der Zugang für seinen jungen Landsmann Julio Villalba bedeutet, wird sich zeigen.

Für Borussia ist der durchaus überrasche­nde Transfer eine Chance auf die Erweiterun­g der Möglichkei­ten. Doch birgt sie auch ein Risiko. Funktionie­rt Bobadilla beim zweiten Anlauf besser als beim ersten? Der Vorteil ist: Heute weiß man im Gegensatz zu 2009, als Bobadilla für 4,5 Millionen Euro von Grasshoppe­r Club Zürich kam, was man bekommt. Dass Borussia ihn holt, ist ein Vertrauens­vorschuss – es ist an Bobadilla, ihn einzulösen. Er kommt ganz sicher, um die zweite Chance zu nutzen. Konzentrie­rt er sich auf das Wesentlich­e, kann das gelingen. Es ist auf jeden Fall eine spannende Personalie. Karsten Kellermann

Newspapers in German

Newspapers from Germany