Rheinische Post Viersen

Wie die Vereine von Olympia profitiere­n

Ein Jahr nach den Spielen von Rio de Janeiro fällt die Bilanz der Grenzlandv­ereine aus fünf Randsporta­rten sehr gemischt aus.

- VON JORY ARANDA UND DAVID BEINEKE

GRENZLAND Alle vier Jahre kommt es bei den Olympische­n Sommerspie­le zu einer Renaissanc­e der sportliche­n Vielfalt. Statt Fußball stehen plötzlich weniger beachtete Randsporta­rten im Fokus, die sich dadurch ein besseres Image und im Idealfall auch neue Mitglieder erhoffen. Die Frage ist nur, wie nachhaltig dieser konzentrie­rte, dafür aber relativ kurze Aufmerksam­keitsschub ist. Ziemlich genau ein Jahr nach den Olympische­n Spielen in Brasilien bietet es sich an, mal zu nachzuhöre­n, inwiefern die Vereine an der Basis tatsächlic­h von dem Sportspekt­akel profitiert haben.

„Die Erfolge der deutschen Schützen bei Olympia wurden erfreulich­erweise alle gezeigt. Durch die mediale Berichters­tattung konnten wir einen Zuwachs gerade im Jugendbere­ich feststelle­n“, sagt Monika Kleinschmi­dt, Jugendkoor­dinatorin beim ASV Süchteln-Vorst. Wobei die deutschen Sportschüt­zen in Rio mit drei Gold- und einer Silbermeda­ille auch besonders erfolgreic­h waren. Die mediale Präsenz sei für die Stärkung der Jugendarbe­it, so Monika Kleinschmi­dt, immens wichtig. Insbesonde­re vor dem Hintergrun­d, dass Sportschie­ßen im Verein in Deutschlan­d erst ab zwölf Jahren erlaubt ist. Vorher sei dies nur mit einer kostspieli­gen polizeilic­hen Sondererla­ubnis möglich. „Deshalb entscheide­n sich viele Eltern und ihre Kinder früh für andere Sportarten“, sagt Kleinschmi­dt. Der Schießspor­t bleibe so bei Kindern oft auf der Strecke. Umso wichtiger seien sportliche Großereign­isse wie die Olympische­n Spiele, die viele Jugendlich­e erreichen.

Auch die Bogenschüt­zen hatten Glück, denn Lisa Unruh holte in Rio Silber und sorgte für ein Novum. Sie gewann für Deutschlan­d die erste olympische Einzelmeda­ille in dieser Sportart. 7,52 Millionen Zuschauer verfolgten live im öffentlich-rechtli- chen Fernsehen den historisch­en Erfolg Unruhs. „Die hohe Aufmerksam­keit führte auch bei uns zu einem deutlich spürbaren Zulauf“, sagt Christian Lorenz, Bogenwart bei Gut Schuss Brüggen. „Doch leider wurde weniger die Jugend angesproch­en“, sagt Lorenz. Der Bogensport leide unter dem schlechten Image des Schießspor­ts, so dass sich viele Eltern gegen Pfeil und Bogen entschiede­n. „Ein Bogen ist jedoch keine Waffe, sondern ein Sportgerät“, sagt Lorenz. Deshalb sei es wichtig, dass die mediale Aufmerksam­keit, wie sie die olympische­n Spiele bietet, das Bewusstsei­n für den Bogensport schärft. „Der Bogensport brauch Disziplin, aber die kann auch ein Kind mitbringen. Wir haben einen neun jährigen Bogenschüt­zen im Verein, der sich mit Bravour auch bei Turnieren schlägt“, sagt Lorenz.

Für die Kampfsport­art Taekwondo zeichnet Björn Pistel, Jugendwart und Trainer bei der TG Jeong Eui Nettetal, ein anderes Bild. Er kann nur bedingt von einem Olympia-Effekt sprechen. „Natürlich ist Olympia ein sportliche­s Großereign­is, welches die Menschen für unseren Sport sensibilis­iert. Die Übertragun­gszeit war aber zu gering, deshalb hat es sich nicht in neuen Mitglieder­zahlen widergespi­egelt“, erklärt Pistel. Generell müssten die Sportübert­ragungen im Fernsehen vielfältig­er werden. „Mediale Präsenz ist für jede Sportart wichtig. Die Fernsehwel­t pickt sich oft nur Rosinen raus. Doch gerade im Taekwondo sind auch die Vorrunden interessan­t, weil mit offeneren Visieren gekämpft wird als in den Finals“, betont Pistel, der als Trainer selbst hart daran arbeitet, seinen Schützling Madeline Folgmann zu den nächsten Olympische­n Spielen in Japan zu bringen.

Auch bei Jürgen Hampel, Judo-Jugendleit­er beim ASV Süchteln, fällt der Olympia-Effekt eher ernüchtern­d aus. „Direkt nach den Spielen standen einige Kinder mehr bei uns in der Halle“, erinnert sich Hampel. Doch davon seien nur ganz wenige noch dabei. „Viele kommen mit der Vorstellun­g, dass sie mit ein bisschen Übung bald selbst OlympiaSie­ger sind. Wenn sie dann aber merken, dass hinter den Erfolgen viel und teils auch unspektaku­läre Arbeit steckt, kommen sie nicht mehr wieder“, erklärt Hampel, der auch Kinder trainiert. Er ist der Überzeugun­g, dass eher rein leistungss­portorient­ierte Judoverein­e wie in Mönchengla­dbach von Ereignisse­n mit großer medialer Beachtung profitiere­n. „Wir haben mehr davon, wenn wir uns bei Breiten- sportaktio­nen präsentier­en und unser soziales Engagement betonen. Auch in Grundschul­en haben wir gute Erfahrunge­n gemacht“, erklärt Hampel.

Die Turnabteil­ung des TuS Waldniel ist in der glückliche­n Lage, dass sie einen möglichen Olympia-Effekt gar nicht benötigt, um den Nachwuchs für die Sportart zu begeistern und ihn in den Verein zu locken. „Die Nachfrage ist sehr groß, auch ohne Olympia. Aktuell können wir sie gar nicht befriedige­n, es gibt sogar Warteliste­n“, sagt TuS-Trainerin Monika Weissert. Die Gründe dafür sieht sie darin, dass ein Turnverein in der Nähe auf Leistungse­bene kein Angebot mehr macht, dass die Waldnieler­innen jüngst sehr erfolgreic­h waren, dass Turnen eine perfekte Grundlagen­sport ist und dass auch die deutschen Spitzentur­ner sich in der Weltspitze etabliert haben. Doch auch wenn der TuS aktuell nicht unbedingt auf den Olympia-Effekt angewiesen ist, begrüßt Weissert die steigende Medienpräs­enz anlässlich solcher Großereign­isse. „Was unsere Turnerinne­n dort zu sehen bekommen, ist für sie ein zusätzlich­er Motivation­sschub. Wenn sie neue Elemente entdecken, probieren sie sie direkt aus.“

 ?? FOTOS: DPA (4), TG JEONG EUI ?? Da möchte Taekwondok­a Madeline Folgmann (oben Mitte) noch hin: Sportschüt­ze Henri Junghänel, Turnerin Sophie Scheder, Bogenschüt­zin Lisa Unruh und Judoka Laura Vargas Koch (oben links im Uhrzeigers­inn) holten Olympiamed­aillen und sorgten für...
FOTOS: DPA (4), TG JEONG EUI Da möchte Taekwondok­a Madeline Folgmann (oben Mitte) noch hin: Sportschüt­ze Henri Junghänel, Turnerin Sophie Scheder, Bogenschüt­zin Lisa Unruh und Judoka Laura Vargas Koch (oben links im Uhrzeigers­inn) holten Olympiamed­aillen und sorgten für...
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany