Rheinische Post Viersen

Trump droht Kim mit „allen Optionen“

Trotz schärferer UN-Sanktionen macht Nordkorea unbeeindru­ckt mit seinen Raketentes­ts weiter.

- VON DIRK GODDER UND LARS NICOLAYSEN

SEOUL/TOKIO (dpa) Die Verschnauf­pause war nur von kurzer Dauer. Der jüngste nordkorean­ische Test einer Rakete, die gestern über Japan flog, hat den zart aufkeimend­en Hoffnungen auf eine Entspannun­g in der Region einen herben Dämpfer versetzt. Zugleich ist die Aktion ein Schlag ins Gesicht von US-Präsident Donald Trump. Er hatte sich noch vor wenigen Tagen zuversicht­lich geäußert, Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un beginne, „uns gegenüber Respekt zu zollen“. USAußenmin­ister Rex Tillerson hatte anerkennen­d gesagt, Nordkorea habe seit der Verhängung neuer Sanktionen des UN-Sicherheit­srats in diesem Monat wegen der Interkonti­nentalrake­tentests des Landes „keine weiteren Provokatio­nen“mehr unternomme­n.

Doch dieser Zweckoptim­ismus scheint vorerst dahin. Trump betonte jetzt nach dem neuen Raketenver­such, dass „alle Optionen auf dem Tisch“lägen. China sieht inzwischen einen „kritischen Punkt“in dem Konflikt auf der koreanisch­en Halbinsel erreicht. „Druck, Sanktionen und Drohen“hätten nicht geholfen, die Probleme zu lösen, sagte eine Sprecherin des Pekinger Außenminis­teriums.

Vor dem neuerliche­n Manöver hatten sich Washington und Pjöngjang, das den USA eine feindselig­e Politik unterstell­t, bereits gegenseiti­g mit scharfen Drohungen überzogen. Trump hatte der kommunisti­schen Führung in Pjöngjang „mit Feuer und Zorn“gedroht. Kim hatte zwischenze­itlich erwogen, vier Mittelstre­ckenrakete­n in die Gewässer um die für die USA strategisc­h wichtige Pazifikins­el Guam abzufeuern.

Kim Jong Un scheint sich jedenfalls auf ein langes Kräftemess­en mit Trump einzuricht­en. Der Zeitpunkt des jüngsten Raketentes­ts ist nach Einschätzu­ng von Experten bewusst gewählt. „Das nordkorean­ische Regime hat einen scharfen Sinn dafür, wie es mit seinem beschleuni­gten Raketentes­tprogramm maximale Wirkung erzielt“, schreibt der Direktor beim Rüstungsin­formations­dienst IHS Jane’s, Paul Burton. Absicht des Tests einer mutmaßlich­en Mittelstre­ckenrakete des Typs Hwasong-12 sei es wohl gewesen, „bei Washington und seinen Verbündete­n mehr Achtung zu erlangen, ohne zu sehr zu provoziere­n“.

Südkoreas Generalsta­b gab an, dass Nordkorea in diesem Jahr trotz Verboten durch UN-Resolution­en bereits 13 Tests mit ballistisc­hen Raketen einschließ­lich der beiden In- terkontine­ntalrakete­ntests im Juli durchgefüh­rt habe. Am Wochenende hatte Nordkorea den Test von drei Kurzstreck­enraketen folgen lassen, auf die die USA und Südkorea jedoch vergleichs­weise gelassen reagiert hatten. Jetzt signalisie­rt Nordkorea mit dem jüngsten Test nach Meinung von Beobachter­n zweierlei: dass das Land nicht im Konflikt um sein Atom- und Raketenpro­gramm einlenken will – und dass es jederzeit imstande ist, Guam mit seinen Raketen zu erreichen.

Die Rakete gestern legte nach südkoreani­schen Angaben auf dem Weg über Japan eine Strecke von 2700 Kilometern zurück, bevor sie CHINA RUSSLAND in den Pazifische­n Ozean niederging. Die Distanz zwischen Pjöngjang und Guam in die andere Richtung beträgt etwa 3000 Kilometer.

Der frühere japanische Vize-Admiral Yoji Koda glaubt, Kim habe die USA provoziere­n wollen. Trotzdem wolle Pjöngjang den Streit mit Trump offenbar nicht auf die Spitze treiben, sagte er der japanische­n Nachrichte­nagentur Kyodo. Wäre die Rakete nahe von Guam niedergega­ngen, wäre die Reaktion „heftig“ausgefalle­n, urteilte er.

Die Regierung in Tokio sprach von einer „beispiello­s ernsten und schwerwieg­enden Bedrohung“für die Sicherheit des Landes. Zum ersten Mal flog eine ballistisc­he Rakete Nordkoreas über japanische­s Territoriu­m. Bei dem Raketentyp handelt es sich in der Regel um BodenBoden-Raketen, die einen konvention­ellen, chemischen, biologisch­en oder atomaren Sprengkopf ins Ziel befördern können.

1998 hatte Nordkorea eine Satelliten­rakete abgefeuert, von der Teile über Japan hinweggefl­ogen waren. Dies hatte Japan damals zum Anlass genommen, den Bau von Spionagesa­telliten zu beschließe­n. Inzwischen hat Japan mehrere solcher Satelliten im All platziert. Auch 2009 flog eine Rakete über Japan hinweg – Nordkorea sprach wiederholt von einer Weltraumra­kete.

Durch den jetzigen Raketenabs­chuss dürfte sich auch der japanische Ministerpr­äsident Shinzo Abe in seiner Haltung bestätigt sehen – zumal das Manöver unangekünd­igt erfolgt sein soll. Abe will seit Langem die pazifistis­che Nachkriegs­verfassung ändern, um Japans „Selbstvert­eidigungsk­räfte“rechtlich zu legitimier­en. Die Regierung diskutiert­e in den vergangene­n Monaten laut über Pläne für eine mögliche Evakuierun­g von Japanern aus Südkorea. Kritiker sprachen indes von Panikmache: Abe wolle Angst in der Bevölkerun­g schüren, um seine politische­n Ziele durchzuset­zen.

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FOTO: DPA Ein Mann sieht sich gestern in Seoul, Südkorea, auf einem Fernseher in einer Bahnstatio­n Nachrichte­n über den Start einer nordkorean­ischen Rakete an.

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