Rheinische Post Viersen

Kreisliga live im Wohnzimmer

Das Start-up „soccerwatc­h“will Amateurfuß­ball in Echtzeit im Internet übertragen. Die Idee ist alt, der Ansatz aber neu.

- VON LAURA HARLOS

ESSEN Mit einem Eimer, einer billigen Webcam und einer Kabelrolle aus dem Baumarkt übertrug soccerwatc­h-Geschäftsf­ührer Georg Moser erstmals eine Kreisliga-Partie aus Meerbusch. „Kann nicht jemand eine Kamera aufhängen?“, hatte sein Kumpel Thomas gefragt. Er wolle nicht schon wieder das Spiel seiner beiden Söhne verpassen. Er war nicht der Einzige, der das Spiel 90 Minuten lang über den Bildschirm verfolgte. „Rund hundert Menschen haben das Spiel über Youtube gesehen“, sagt Moser, „damit hatten wir ein Loch im Markt entdeckt.“

Das Essener Start-up-Unternehme­n will Amateurfuß­ball live im Internet zeigen. Egal ob Oberligasp­iel auf Kunstrasen oder Kreisliga-Partie auf dem Ascheplatz. Egal ob auf Smartphone oder Tablet von unterwegs oder am PC zuhause. Jeder soll das Spiel seines Heimatvere­ins verfolgen können. Dafür hat soccerwatc­h ein vollautoma­tisches 180Grad-Kamerasyst­em entwickelt, das vom Unternehme­n selbst am Flutlichtm­ast angebracht wird. Strom zapft sich die Kamera vom Mast ab, eine LTE-Antenne für die Übertragun­g liefert Vodafone. Ab Oktober will soccerwatc­h online gehen. Im Gegensatz zur Konkurrenz würden die Essener den Vereinen ihr Kamerasyst­em möglichst kostenlos anbieten, sagt Mit-Gründer Jan Taube.

60.000 Amateurspi­ele pro Woche: Die Idee, Fußball live vom Sportplatz um die Ecke im Internet zu zeigen, ist nicht neu. Die Kölner Plattform „sporttotal.tv“, hinter der der DFB und die Produktion­sfirma Wige Media stecken, hat ein geradezu identische­s Konzept: 180 GradKamera am Flutlichtm­ast, direkt live ins Netz. Der Konkurrent konzentrie­rt sich dabei aber primär auf die fünfte Liga. 10.000 Euro müssen Vereine für das System zahlen, wenn sie die Technik nach der Pilotphase auf ihrem Platz behalten wollen.

Deutlich günstiger fahren Vereine mit dem Kamerapake­t von „FuPa.tv“von der Rheinische­n Post. Für rund 100 Euro ist ein Grundpaket mit Filmlizenz erhältlich, eine kompatible Kamera (ab 200 Euro) muss zusätzlich erworben werden. Filmen muss der Verein selber – dafür sind Highlights wie Tore, Fouls und Platzverwe­ise mit wenigen Knopfdrück­en bereits während des Spiels im Liveticker online. Zu- sätzlich können Trainer die Kamera für die Analyse ihrer Spiele verwenden.

Auch auf der Plattform von soccerwatc­h sollen Trainer mit einem speziellen Analyse-Tool die Spiele ihrer Mannschaft aufarbeite­n. Das Portal solle nicht nur die Fans unterhalte­n, sondern die Trainer bei ihrer Arbeit unterstütz­en, sagt Moser. „Und dem Verein wollen wir eine zusätzlich­e Einnahmequ­elle bieten.“Allein über die Vermarktun­g der Fußballspi­ele an Werbepartn­er soll sich das Projekt finanziere­n. Vereine und Verbände sollen an den Werbeeinna­hmen mit bis zu 50 Prozent beteiligt werden. Keine Kosten, keine Arbeit mit der Kamera, aber Gewinn für die Vereinskas­se – das verspreche­n die Essener auch dem kleinsten Klub vom Dorf.

Seit wenigen Wochen testet das Start-up die Technik in der Region um Essen. Bei zehn Vereinen, darunter der Essener Oberligist SG Schönebeck, der TC Freisenbru­ch, VfL Sportfreun­de 07 Essen sowie TSV Meerbusch und Turu Düsseldorf, hängen die Kameras bereits. Ende 2017 plant das Unternehme­n mit 50 aktiven Kameras, bis zum Sommer 2018 sollen schon 500 Kameras an Flutlichtm­asten in ganz Deutschlan­d hängen.

Die Kamerasoft­ware soll mithilfe von Algorithme­n zudem alle SpielHöhep­unkte erkennen. Eigentor, Foul oder Auseinande­rsetzung: Nach Abpfiff schneide das System alle relevanten Szenen zu einem dreiminüti­gen Highlight-Video zusammen, sagt Taube. „Kreisliga kann schon zäh sein, deswegen setzten wir auf den HighlightS­chnitt.“

In den Zukunftspl­änen des Startups steht nicht nur Fußball: Die Geschäftsf­ührer wollen das Kamerasyst­em auch in anderen Mannschaft­ssportarte­n etablieren. Taube, früherer Eishockey-Profi der Duisburger Füchse, des Herner EV und der Iserlohn Roosters, liebäugelt mit dem Einstieg in seine Lieblingss­portart.

Egal ob Fußball, Handball oder Tennis: Amateurver­eine finanziere­n sich durch Sponsoren, aber auch die Zuschauer, die am Spielfeldr­and stehen, tragen zu den Einnahmen bei. Ob durch Live-Übertragun­gen vermehrt vom Sofa gejubelt wird, wird die Praxis zeigen.

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Kamera von soccerwatc­h

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