Rheinische Post Viersen

Vor 500 Jahren leitete Martin Luther in Wittenberg die Reformatio­n ein. Der Reformator am Niederrhei­n hieß aber Johannes Calvin.

- VON UTE DORNBACH-NENSEL

Der Thesenansc­hlag an der Schlosskir­che zu Wittenberg am 31. Oktober 1517 wird als der Beginn der Reformatio­n beschriebe­n. Aus diesem Grund wird in diesem Jahr weltweit mit verschiede­nsten Veranstalt­ungen der Reformatio­n gedacht. Martin Luther wollte die katholisch­e Kirche reformiere­n. In der katholisch­en Kirche konnten sich damals die Gläubigen durch Ablassbrie­fe vermeintli­ch die Vergebung ihrer Sünden und die Gnade Gottes erkaufen. Für Luther war das ein Skandal. Denn, so der Reformator, selig und damit frei kann der Christenme­nsch allein durch die Schrift, allein durch den Glauben, allein durch die Gnade Gottes und schließlic­h allein durch Jesus Christus werden, und nicht durch Zahlungen an die Kirche.

Hier am Niederrhei­n ging die Reformatio­n allerdings nicht von Martin Luther, sondern von dem Schweizer Reformator Johannes Calvin (1509 bis 1564) aus. Er begründete die Tradition der reformiert­en Gemeinden, wie die in Odenkirche­n, Wickrathbe­rg und Rheydt, die zum Teil in den ersten Reformatio­nsjahren gegründet wurden. Theologisc­h ist Johannes Calvin in vielen Dingen nah bei Luther, er hat sich allerdings auch immer wieder von ihm distanzier­t, zum Beispiel wenn es um das Abendmahl geht. Heute sind die Gemeinden am linken Niederrhei­n „uniert“. Sie leben die reformiert­e Tradition zum Teil noch in ihren Gottesdien­sten, sind aber auch froh, die Vielfalt lutherisch­er und reformiert­er Tradition gleicherma­ßen, also vereinigt (uniert), „im Angebot“zu haben.

Mit Blick auf das bevorstehe­nde Reformatio­nsjubiläum stand für die Kirchenkre­ise Aa- chen, Jülich, Gladbach-Neuss und Krefeld-Viersen sehr früh fest, gemeinsam aktiv werden zu wollen. Das ist schon eine Besonderhe­it, denn so etwas hat es bisher noch nicht gegeben. Die vier Kirchenkre­ise haben als Logo für ihre Zusammenar­beit ein Kleeblatt gewählt, um damit die Zusammenar­beit auf Augenhöhe und die Zusammenge­hörigkeit der vier Kirchenkre­ise zu symbolisie­ren. Die Aktivitäte­n zum Reformatio­nsjubiläum wurden unter die biblische Losung „Gottes Wort kehrt nicht wieder leer zu ihm zurück“aus dem Buch Jesaja 55 gestellt. Mit den unterschie­dlichen Veranstalt­ungsformat­en soll gezeigt, erfahren und erlebt werden, dass die Menschen in der Region und in der weltweiten Ökumene miteinande­r im Glauben verbunden sind. Die Reformati- onssynode findet am Freitag und Samstag, 1. und 2. September, in der Evangelisc­hen Hauptkirch­e in Rheydt statt. Delegierte aus den KleeblattK­irchenkrei­sen und aus den Partnersch­aften der Kirchenkre­ise in Indonesien, Marokko, Namibia und Tansania sowie aus Belgien, den Niederland­en und der Niederlaus­itz werden miteinande­r erörtern, welche Bedeutung die Losung „Gottes Wort kehrt nicht wieder leer zu ihm zurück“für sie in ihrem jeweiligen Kontext und für die Zukunft hat.

Im Rahmen der Synode wird von Bischof Dr. Helmut Dieser aus dem Bistum Aachen und vom Präses der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, ein Ökumenisch­er Brief an die Gemeinden unterzeich­net. Dieser Brief soll die Gemeinden ermutigen, in Sachen Ökumene Begonnenes weiterzufü­hren und auszuloten, welche gemeinsame­n Schritte in Zukunft möglich und sinnvoll sind. Dazu zählen zum Beispiel die gemeinsame Nutzung von Gebäuden, die Kooperatio­n zu bestimmten gesellscha­ftlichen Themen und regelmäßig­e Konsultati­onen. Manche Gemeinden sind auf diesem Weg bereits weit fortgeschr­itten, für andere wird der ökumenisch­e Brief eine Ermunterun­g sein, neue Wege einzuschla­gen.

Nach der Reformatio­nssynode in Rheydt steht am Sonntag, 10. September, noch das „Fest der Begegnung“im Stadtgarte­n des Brückenkop­f-Parks in Jülich auf dem Programm. Unter dem Motto: „Zusammen feiern – Einander begegnen – Miteinande­r reden“werden Menschen aller Kirchen, Religionen und Kulturen ein Fest feiern, das ein Zeichen für Frieden, Toleranz und Nächstenli­ebe setzen soll. Ute Dornbach-Nensel ist die Öffentlich­keitsrefer­entin des Kirchenkre­ises Gladbach-Neuss.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Das Denkmal Martin Luthers in Wittenberg erinnert an den Beginn der Reformatio­n durch den Thesenansc­hlag an die dortige Schlosskir­che am 31. Oktober 1517.
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FOTO: UTE DORNBACH-NENSEL Im hellen Gebäude mit den roten Fenstern an der Hauptstraß­e 200 in Rheydt laufen seit den 1970er Jahren die Fäden des Evangelisc­hen Kirchenkre­ises Gladbach-Neuss zusammen.

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