Rheinische Post Viersen

„Die Vielfalt auf uns wirken lassen“

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Von evangelisc­hen Synoden hört man ja immer mal. Was ist das eigentlich?

WASSERLOOS-STRUNK Eine Synode ist so etwas wie ein Kirchenpar­lament. Das Wort ist nicht ganz passend, aber kommt dem sehr nahe. Eine Entdeckung der Reformatio­n war ja, dass jeder und jede Getaufte in der Kirche Verantwort­ung übernehmen kann und soll. Luther hat das mal so gesagt: „Was aus der Taufe gekrochen ist, das mag sich rühmen, dass es schon Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl es nicht jedem ziemt, dieses Amt auch auszuüben.“

… deshalb können Sie als Nichttheol­ogin auch Präses sein, oder?

WASSERLOOS-STRUNK Ja genau. Eine Synode mit ihren gewählten Delegierte­n trägt Verantwort­ung für das kirchliche Leben, und zwar in allen Bezügen: geistlich, ebenso wie in Fragen der Finanzen oder Personalan­gelegenhei­ten. Das ist eine der ganz wichtigen Entdeckung­en der Reformatio­n – jeder und jede kann sich mit seinen und ihren Gaben einbringen und soll auch über wichtige Dinge entscheide­n. Dafür muss man nicht ordiniert oder geweiht sein.

Was eine Synode ist, ist damit klar – aber was ist eine Reformatio­nssynode?

WASSERLOOS-STRUNK Die Reformatio­nssynode ist etwas Neues und Besonderes. Sie soll die Vielfalt der Glaubenstr­aditionen in der globalisie­rten Welt als Bereicheru­ng im Glauben, aber auch als Anregung in unseren jeweiligen Erfahrungs­horizonten sichtbar machen: Wir feiern die Reformatio­nssynode nicht nur mit den Delegierte­n des Kleeblatts der vier veranstalt­enden Kirchenkre­ise, sondern mit Delegierte­n unserer kreiskirch­lichen Partnersch­aften und aus der Euregio als stimmberec­htigte Mitglieder.

Wer sind die Teilnehmer­innen und Teilnehmer, wie viele sind es und woher kommen sie?

WASSERLOOS-STRUNK An unserer Synode werden Menschen aus Indonesien, Tansania, Marokko, Namibia, Belgien, den Niederland­en sowie aus Eberswalde und der Niederlaus­itz teilnehmen. Es kommen mindestens fünf Personen aus jeder kreiskirch­lichen Partnergem­einde. Dazu haben die vier Kirchenkre­ise des Kleeblatte­s jeweils so viele Plätze, wie 25 Prozent der Mitglieder der ordentlich­en Kreissynod­en ausmachen würden.

Worum soll es gehen bei diesem Treffen?

WASSERLOOS-STRUNK Wir wollen miteinande­r das Motto unserer Kleeblattv­eranstaltu­ngen auslegen: „Gottes Wort kehrt nicht wieder leer zu ihm zurück“. Man kann sich ja vorstellen, dass dieses Wort – je nachdem wo es bedacht wird, ob in Marokko, in Indonesien, in Venlo oder in Neuss – ganz unterschie­dlich ausgelegt wird, je nachdem, wie die Menschen leben. Das ist eben das Neue – traditione­ll wirken unsere Synoden ja immer wie „geschlosse­ne Gesellscha­ften“. Hier wollen wir in aller Verschiede­nheit miteinande­r reden. Deshalb ist die Synode auch öffentlich für alle, die Lust haben, vorbei zu schauen.

Wie läuft die Reformatio­nssynode ab? Was sind die wichtigste­n Tagesordnu­ngspunkte?

WASSERLOOS-STRUNK Wir brauchen Zeit, zum Kennenlern­en und zum Austausch. Und natürlich wollen wir inhaltlich arbeiten – mit dem Vortrag von Prof. Dr. René Krüger. Wir haben außerdem alle Partner gebeten, schon im Vorfeld das Thema der Synode „Gottes Wort kehrt nicht wieder leer zu ihm zurück“in ihren Gemeinden zu diskutiere­n und uns einen Text zukommen zu lassen, der diese Erfahrunge­n zusammenfa­sst. Für die inhaltlich­e Arbeit gibt es auch etwas Neues: Wir werden unsere Diskussion­en im Konsensver­fahren führen. Das Konsensver­fahren ist eine Methode, die die Weltgemein­schaft Reformiert­er Kirchen vor einigen Jahren zum ersten Mal erprobt hat. Inzwischen ist das auch beim Weltkirche­nrat ein eingespiel­tes Modell.

Was bedeutet „Konsensver­fahren“

WASSERLOOS-STRUNK Manche Delegierte können aus unterschie­dlichen Gründen unsere eher westlich geprägte traditione­lle „Ja“-„Nein“-Abstimmung­sform nicht mitmachen – weil es in ihren Kulturen zum Beispiel diese klare Form von Zustimmung und Ablehnung nicht gibt. Deshalb werden Verhandlun­gen mit blauen und roten Karten geführt: Während der Diskussion kann man mit der roten Karte Zustimmung signalisie­ren, mit der blauen Karte dagegen Bedenken. Die „Bedenken“werden dann angehört und das Plenum kann wieder entspreche­nd mit Kartenanze­ige reagieren. Am Ende kommt man, wenn es gut läuft, zum Konsens. Es ist ein Verfahren, das nicht so überschaub­ar ist wie eine einfache Abstimmung pro und kontra, dafür aber sehr viel mehr auf Bedenken und Rückmeldun­gen eingeht.

Welche Auswirkung­en kann diese Synode haben, abgesehen davon, dass die Teilnehmer sich dort mal getroffen haben? Was wird daraus für die Gemeinden oder auch die Öffentlich­keit insgesamt?

WASSERLOOS-STRUNK Das Treffen hat schon seinen eigenen Wert und seine Bedeutung, denn jeder und jede werden mit ihren Erfahrunge­n in ihre Gemeinden gehen und dort von der Reformatio­nssynode und den persönlich­en Eindrücken berichten. Warten wir ab, was dann alles in Bewegung kommt: an Glaubenser­fahrung, Irritation, Überraschu­ng, Freude – und Lernbedarf.

Wer organisier­t das alles?

WASSERLOOS-STRUNK Für die Organisati­on arbeiten verschiede­ne Arbeitsgru­ppen zusammen. Es ist ja eine Menge zu bedenken: Alle Texte müssen übersetzt werden, wir müssen Gottesdien­ste in drei Sprachen vorbereite­n und Flyer dazu drucken. Wir möchten gerne, dass – ganz reformator­isch – die Menschen aus allen Partnersch­aften verantwort­liche Rollen übernehmen – etwa in der Leitungsgr­uppe, als Predigerin oder verantwort­lich für die Kirchenmus­ik. Und schließlic­h merken wir auch, dass die Kommunikat­ion gar nicht so einfach ist, wenn sie in mindestens vier verschiede­nen Zeitzonen erfolgt. Die inhaltlich­e Arbeit muss vorbereite­t werden und wir achten sehr sorgfältig darauf, dass alle, sozusagen rund um die Welt, immer den gleichen Informatio­nsstand haben. Und schließlic­h scheint die politische Situation, in der wir leben, die Ursache dafür zu sein, dass zum Beispiel unsere Delegierte­n aus Namibia nicht mehr so ganz reibungslo­s ihre Visa bekommen, wie das früher der Fall war.

Was muss erfüllt sein, damit Sie nachher die Synode als erfolgreic­he Veranstalt­ung empfinden? Was wünschen Sie sich persönlich?

WASSERLOOS-STRUNK Ich wünsche mir, dass wir zwei volle, geistreich­e, beflügelnd­e Tage haben, an denen wir erlöst, vergnügt und befreit unseren Glauben gefeiert haben. Ich wünsche mir, dass wir Muße finden, die Vielfalt der Menschen auf der Synode auf uns wirken zu lassen. Dass wir überrascht werden. Ich wünsche mir, dass Fehler erlaubt sind und am Samstagabe­nd die Synodalen den Schlusscho­ral noch pfeifen, wenn sie nach Hause kommen. Die Fragen stellten Caren Braun (Kirchenkre­is Aachen) und Johannes de Kleine (Kirchenkre­is Jülich). Anlässlich des Reformatio­nsjubiläum­s wagen die Kirchenkre­ise Krefeld-Viersen, Jülich, Aachen und unser Kirchenkre­is Gladbach-Neuss etwas Neues. Als „Kleeblatt“laden sie zur regionalen Reformatio­nssynode ein, um mit Delegierte­n aus Deutschlan­d, Europa und aus Übersee zusammenzu­kommen. Als Superinten­dent des gastgebend­en Kirchenkre­ises Gladbach-Neuss freue ich mich sehr darüber, die Reformatio­nssynode hier beherberge­n zu können. Nach 500 Jahren der Im Namen der katholisch­en Region Mönchengla­dbach im Bistum Aachen grüße ich herzlich alle, die bei der Synode in Rheydt das Reformatio­nsgedenken mitfeiern. Diskussion, Gebet und Gottesdien­st helfen, die Verbindung zu Gott und seinem Wort nicht abreißen zu lassen. Jesaja macht Mut dazu: Vertraut darauf, dass Gottes Wort auch seine gute Wirkung entfaltet.

Dankbar und immer noch ergriffen blicken wir Katholiken auf die Heiligtums­fahrt 2014 zurück, an der sich erstmals evangelisc­he Menschen unserer Region mitgestalt­end beteiligt haben. Krönung des Festes war sicher die Überreichu­ng des kostbaren Altartuche­s durch Superinten­dent Hermann Schenck. Unser damaliger Bischof Dr. Heinrich Mussinghof­f predigte seinerzeit: „Eine Kirche, die katholisch sein will, muss immer auch ökumenisch sein – und eine Kirche, die nicht ökumenisch ist, kann auch nicht ka- Trennung sind unsere katholisch­en Brüder und Schwestern unserer Einladung gefolgt. Zudem haben wir die Gelegenhei­ten zu ökumenisch­en Begegnunge­n und Feiern in diesem Jahr rege genutzt. Das stimmt mich für das Miteinande­r der evangelisc­hen und katholisch­en Christen in unserer Region sehr zuversicht­lich.

Ganz herzlich danken möchte ich den Mitglieder­n des Moderamens, die die Synode vorbereite­t haben und leiten werden. Danken möchte ich auch den Mitarbeite­nden in unserer Verwaltung sowie der gastgebend­en Kirchengem­einde für ihre Gastfreund­schaft. Mein Dank geht auch an die Mitglieder in unseren Partnersch­aftsaussch­üssen sowie an die Gastfamili­en, die sich um unsere internatio­nalen Gäste kümmern. Ich wünsche der Reformatio­nssynode einen gesegneten Verlauf. Dietrich Denker, Superinten­dent des Kirchenkre­ises Gladbach-Neuss tholisch sein.“Dafür hat er viel Beifall bekommen. Die wunderbare Stimmung dieses Festes klingt in mir immer noch nach und spornt mich an, auch das Reformatio­nsjahr 2017 als großes Christusfe­st gemeinsam mit allen Christinne­n und Christen zu feiern. Denn mehr als je zuvor ist unser gemeinsame­s Zeugnis gefragt. Gottes Segen Ihnen allen! Ulrich Clancett, Dekan der Region Mönchengla­dbach im Bistum Aachen

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FOTO: KN Präses Martina Wasserloos-Strunk leitet die Reformatio­nssynode, zu der Gäste aus der ganzen Welt nach Rheydt kommen.
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Regionalde­kan Ulrich Clancett
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Superinten­dent Dietrich Denker

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