Das Wahrzeichen für eine blühende Industriestadt
Die Ursprünge der Evangelischen Hauptkirche gehen bis ins Mittelalter zurück.
Das von 1899 bis 1902 errichtete Wahrzeichen der ehemals selbstständigen Stadt Rheydt ist als Ort der Reformationssynode bestens geeignet. Es handelt sich nicht nur um den imposantesten Großraum Mönchengladbachs mit etwa 1200 Sitzplätzen; die Hauptkirche steht zudem noch auf geschichtsträchtigem Boden. Das heutige Gotteshaus ersetzte die spätmittelalterliche „alte Hauptkirche“, die mit fast der gesamten Bevölkerung der Jülichschen Unterherrschaft Rheydt im 16. Jahrhundert evangelisch geworden war. 1741 baute man diese schlichte Dorfkirche zur Querhausanlage um und schuf damit erstmals eine Predigtkirche, in der sich die evangelischreformierte Gemeinde ihrem Bekenntnis gemäß um Kanzel und Abendmahltisch versammeln konnte.
Die heutige ungleich imposantere „neue Hauptkirche“signalisierte neben dem 1897 erbauten Rathaus auf dem Marktplatz, dass sich das ehemalige Straßendorf in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur blühenden und wohlhabenden Industriestadt gemausert hatte. Gleichzeitig war und ist sie ein protestantisches Merkzeichen, denn ab 1900 war durch den Zustrom der Industriearbeiter auch in Rheydt die katholische Bevölkerung prozentual in der Mehrheit. Der späthistoristische Prachtbau, der romanische und gotische Stilformen verbindet, behielt allerdings die reformierte Raumordnung des Vorgängerbaus bei. Der Grund lag in der Entscheidung für den Berliner Architekten Professor Johannes Otzen. Dieser hatte 1891 das „Wiesbadener Programm“veröffentlicht, indem er eine Reform des Kirchenbaus forderte. In vier Leitsätzen beschreibt er darin die evangelische Kirche als Versammlungshaus der feiernden Gemeinde: „Die Einheit der Gemeinde und dem Grundsatze des allgemeinen Priesterthums soll durch die Einheitlichkeit des Raumes Ausdruck gegeben werden.“Das Abendmahl soll sich „nicht in einem abgesonderten Raume, sondern inmitten der Gemeinde vollziehen.“Auch der von Johannes Otzen wieder eingeführte Kanzelaltar bewirkt, dass die Hauptkirche eine typische Predigtkirche ist, die über eine hervorragende Akustik verfügt.
Zwischen 1943 und 1945 erlitt die Kirche schwere Schäden. Einem Wunder gleich blieb jedoch die originale Ausstattung mit der spätromantischen Sauerorgel fast vollständig erhalten. Bei der Renovierung von 1962 wurde der Innenraum allerdings seiner einstigen Pracht entkleidet. Der Zeitgeschmack hatte noch nichts für diese Ar- chitektur übrig. Außerdem sollte nichts mehr vom Hören der Predigt ablenken. Diese Sinnenfeindlichkeit und reformierte Strenge ist lange gewichen. 2001 beschloss das Presbyterium nach eingehender Beratung, die farbige Raumfassung mit den Jugendstilornamenten originalgetreu wieder herzustellen. Dieser Prozess einer etappenweisen Restaurierung des Baudenkmals dauerte von 1997 bis 2017. Auch die Kunstverglasung von 1962 konnte dank vieler Spenden teilweise erneuert werden. Heute ist der Raum wieder festlich und einladend. Er spricht Menschen unterschiedlichster Herkunft an. Im Rahmen der „Offenen Hauptkirche“oder auch der Kirchenkonzerte ist das immer wieder zu beobachten. So wird dieses kostbare Bauwerk nicht selten zur „stummen Predigerin“, die etwas über den Glauben erzählt und dabei einlädt, selber zu fragen, was evangelische Christinnen und Christen auch heute von Herzen glauben und leben. Darum gilt auch an dieser Stelle ganz besonders: Allen Gästen von nah und fern ein herzliches Willkommen in der Rheydter Hauptkirche!