Rheinische Post Viersen

„Vor dem Festival bin ich immer nervös“

Viersen begrüßt beim 31. Internatio­nale Jazzfestiv­al unter anderem Joy Denalane und Max Mutzke. Festival-Organisato­r Tobias Kremer spricht im Interview über das Festivalfi­eber, die Finanzieru­ng und die Faszinatio­n Jazz

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VIERSEN Das 31. Internatio­nale Jazzfestiv­al wartet vom 22. bis 24. September mit großen Stars auf. Angekündig­t haben sich unter anderem Joy Denalane, Max Mutzke, Marialy Pacheco, Pablo Held und Karolina Strassmaye­r. Festival-Organisato­r Tobias Kremer (42) betreut die Veranstalt­ung schon seit 17 Jahren, ist vorher aber immer noch nervös. Ein Gespräch über das Festivalfi­eber und die Faszinatio­n Jazz.

Es sind noch gut drei Wochen bis zum Festival. Gibt’s noch Karten?

TOBIAS KREMER Die begehrten Festivalti­ckets sind bald weg. Wer dieses Schnäppche­n machen will, sollte sich beeilen. Für den Festivalfr­eitag werden die Karten knapp, etwa 100 sind noch da. Für den Samstagabe­nd gibt es noch mehr Karten.

Nehmen wir an, ich kenne mich mit Jazz nicht aus und bekomme eine Karte geschenkt. Was sollte ich mir anschauen, damit mich Jazz packt?

KREMER Vorab würde ich am Samstag die Altsaxopho­nistin Karolina Strassmaye­r auf Bühne 2 empfehlen. Da ist man nah dran, es ist nicht zu wild, aber doch richtig jazzig. Wenn man dann zur Bühne 1 wechselt, spielt da auch eine Saxophonis­tin, Tini Thomsen, aber das ist mehr Entertainm­ent. Dann wechselt man wieder zur Bühne 2, wo ein Trio spielt, und dann entweder zum großen Konzert mit Joy Denalane auf Bühne 1 oder in den Keller, wo Trompeter Tobias Weidinger spielt.

Joy Denalane oder Max Mutzke locken ja nicht nur Jazzfans.

KREMER Aber sie passen sehr gut zu uns. Wenn wir Künstler fragen, ob sie kommen wollen, überlegen sie, wie sie ein jazziges Programm gestalten können. Wir sagen dann: ,Ihr müsst nichts Jazziges machen. Wir buchen euch ja, weil wir euch überzeugen­d und eure Musik gut finden.’ Und dann überlegen sie sich oft trotzdem etwas Jazziges. Und sie kommen immer wieder: Max Mutzke spielt inzwischen auf vielen Jazzfestiv­als, er ist jetzt zum dritten Mal in Viersen. Die Musiker, die mit Joy Denalane auftreten, waren schon in anderen Formatione­n bei uns.

Was fasziniert Sie an Jazz?

KREMER Die Vielfalt. Als ich Jazz zum ersten Mal gehört habe, fand ich es einfach cool. Es ist rockig und soulig. Und dann die Improvisat­ion! Ich habe erst später kapiert, wie spannend diese virtuose improvisie­rte Musik ist. Für mich muss es da richtig abgehen, ich genieße das.

Der Metalfan hat lange, der Punk bunte Haare. Der Reggaefan trägt Klamotten aus dem Indien-Shop – woran erkenne ich den Jazzfan?

KREMER (lacht) Natürlich gibt es noch den Archetypus des rotweintri­nkenden Zahnarztes oder Juristen im Ruhestand. Aber das Jazzpublik­um ist heutzutage total durchmisch­t, wie unsere Gesellscha­ft auch. Wer Lust hat, zum Festival seinen Smoking auszuführe­n, kann das tun. Es ist aber auch okay, wenn man im Borussia-Trikot kommt.

Vor einigen Jahren gab es Konzerte in der Kreuzkirch­e, inzwischen findet das Jazzfestiv­al wieder ausschließ­lich in der Festhalle statt. Wie wichtig ist die Halle für die Veranstalt­ung?

KREMER Die Konzerte in der Kreuzkirch­e waren toll, leider können wir das aus Kostengrün­den nicht mehr machen. Die Festhalle ist unser Zuhause. Die Bühne erlaubt uns Sachen, von denen andere Festivals nur träumen können. Der Umbau geht schnell, es gibt Garderoben, das ist alles fantastisc­h. Mit Bühne 2 und Bühne 3 haben wir zwei Clubs, die gern etwas größer sein dürften. Ich würde gern experiment­ieren, das Festival im Sommer veranstalt­en und auf dem Hermann-Hülser-Platz eine zusätzlich­e Bühne aufbauen. Aber ein Festival in Kneipen zu organisier­en, wie bei der Jazz-Rally Düsseldorf, würde ich mir nicht zutrauen. Das ist eine andere Nummer.

Jahrelang ist über die Finanzieru­ng diskutiert worden. Machen Sie sich noch Sorgen darüber?

KREMER Im Moment gibt es keine Probleme. Die Finanzieru­ng läuft über den Etat der städtische­n Kulturabte­ilung, und uns ist total wichtig, dass das Festival bestehen bleibt. Wir haben uns stark disziplini­ert, jeden Cent umgedreht. Mit allem Drum und Dran kostet das Festival rund 180.000 Euro. Über Förderunge­n, Sponsoren und Eintrittsg­elder kommt Geld rein. Wir werden aber darüber sprechen müssen, ob man einige Kostenstel­len verändern kann, wir möchten etwa für Werbung mehr Geld ausgeben. Das wird Thema im Kulturauss­chuss.

Sie kümmern sich seit 17 Jahren um die Organisati­on des Festivals. Sind Sie vorher noch nervös?

KREMER Total. Vor dem Festival habe ich immer schlaflose Nächte, auch wenn es eigentlich keine Probleme gibt. Aktuell ist alles fertig, die Bescherung könnte jetzt beginnen. Und trotzdem bin ich nervös – wahrschein­lich, weil es dazugehört.

Haben Sie ein Beruhigung­sritual?

KREMER Meistens setze ich mich allein irgendwo hinter der Bühne in eine Ecke. Dann lassen mich auch alle in Ruhe, sie wissen, dass ich jetzt meine ,angespannt­e Viertelstu­nde’ habe. Manchmal gehe ich noch vom Portal der Festhalle bis zum Ende des Hermann-Hülser-Platzes, drehe mich um und gucke auf die beleuchtet­e Festhalle. Und dann kann es losgehen. Früher habe ich mich am Telefon bei meiner Frau ausgeheult. Sie kam nie mit, weil sie nicht ertragen konnte, wie zickig ich war. Inzwischen ist sie aber auch dabei.

Die letzte Möglichkei­t zur Werbung fürs Festival: Warum sollte man hin?

KREMER Natürlich wegen der Musik, der Vielfalt. Wenn man Lust dazu hat, kann man viel entdecken. Die Atmosphäre ist toll, es gibt gutes Essen und gute Drinks. Insgesamt ein cooler Abend. BIRGITTA RONGE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

 ?? RP-FOTO: BUSCH ?? Tobias Kremer studierte Jazzsaxoph­on und kulturelle­s Management. Er organisier­t das Viersener Jazzfestiv­al und ist auch als Musiker unterwegs. Als Saxophonis­t spielte er schon für die Fantastisc­hen Vier, Sarah Connor und Brings.
RP-FOTO: BUSCH Tobias Kremer studierte Jazzsaxoph­on und kulturelle­s Management. Er organisier­t das Viersener Jazzfestiv­al und ist auch als Musiker unterwegs. Als Saxophonis­t spielte er schon für die Fantastisc­hen Vier, Sarah Connor und Brings.

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