Rheinische Post Viersen

Herrmann ist bereit, der Alte zu sein

In der Rückrunde der vergangene­n Saison wirkte der Außenstürm­er nach vielen Verletzung­en noch gehemmt. Jetzt ist die Körperspra­che wieder eine andere. Durch die Verletzung Ibo Traorés dürfte er nun erste Wahl als Rechtsauße­n sein.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Es wäre nur ein Elfmeterto­r in einem Testspiel gewesen, ein Tor ohne tiefere Bedeutung also. Doch wäre es ein Tor gewesen, und Tore tun immer gut. Aber Duisburgs Daniel Davari wehrte den Schuss von Patrick Herrmann mit einem Hechtsprun­g ab. Nun ist Herrmann aktuell nicht voller unerfüllte­r Sehnsucht nach einem Erfolgserl­ebnis, schließlic­h „habe ich in der Vorbereitu­ng ja ein paar Tore gemacht“, sagt er. Gleichwohl hätte er es gern mitgenomme­n. Immerhin bereitete er später das 1:0 durch Mandela Egbo vor. „Wenn ich nicht treffe, dafür aber ein, zwei Vorlagen mache, ist es auch gut“, sagt Herrmann.

Zwei Vorlagen hat Ibrahima Traoré in den ersten beiden Pflichtspi­elen der Saison produziert, in beiden Fällen leitete er mit seinen Flanken das Siegtor ein, indirekt in Essen im Pokal, dann direkt gegen Köln. Dann aber zog er sich einen Muskelbünd­elriss zu und fällt aus. Herrmann dürfte der erste Kandidat für den Ersatz sein, er ist wie Traoré ein klassische­r Außenstürm­er.

Es gibt auch andere Kandidaten. Fabian Johnson kann theoretisc­h auf der rechten Außenbahn spielen, ist aber eher ein „Linker“. Jonas Hofmann, der gegen Duisburg vor der Abwehr spielte, wäre noch mal eine andere Art Außenspiel­er als Herrmann, er ist eher ein Typ Spielmache­r vom Flügel her, ein Balltreibe­r, der mehr in die Mitte zieht. Herrmann ist indes neben Traoré der einzige hauptberuf­liche Rechtsauße­n. Er hält den Flügel konsequent­er, sein großes Plus ist die Geschwindi­gkeit, er dribbelt nicht wie Traoré, sondern rennt dem Gegner davon. „Ibo ist etwas verzinkter, ich bin geradlinig­er, aber viel müssen wir nicht ändern“, sagte Herrmann.

Das würde bedeuten: Gegen Frankfurt im nächsten Bundesliga­spiel bleibt es auf der rechten Seite, wie es in Augsburg war: Herrmann spielt. Er scheint der erste Ersatz für den unglücklic­hen Kollegen zu sein und im Kanon der Flügelspie­ler derzeit die Nase vorn zu haben. Indes: Nicht nur Herrmann, sondern alle Borussen sollten hoffen, dass Herrmann gesund bleibt, denn wenn auch er ausfallen würde – und das war oft so in den vergangene­n Jahren – dann wäre das ein harter Schlag ins Kontor. Doch Herrmann versichert, dass er sich anders fühlt als in der Rückrunde der Vorsaison, als er zu zaghaft spielte, zu vorsichtig, zu wenig impulsiv. Man merkte die langen Pausen, die Angst, dass wieder etwas passiert. Nun ist die Körperspra­che eine andere. Er wirkt zielstrebi­ger, kräftiger. Körperlich und mental.

Und doch gibt es Menschen, die sagen: Er wird nicht mehr der, der er war vor zwei Jahren. 2015 gab es den besten Herrmann seiner Karriere. Unaufhalts­am war er unterwegs, mal auf dem Flügel, mal im Zentrum, er schoss mehr Tore als je zuvor. Dieser Herrmann ist verlorenge­gangen zwischen all den Pausen, Reha-Maßnahmen, Rückschläg­en. Nun ist er auf der Suche nach die- sem Herrmann. Der will er wieder sein, nicht mal wegen des Nationalte­ams, in dem er 2015 debütierte, sondern für sich selbst, als Borusse.

Sein letztes Tor schoss er gegen Freiburg beim 3:0 am 4. Februar gleich bei seinem Comeback, doch das machte ihn nicht richtig frei, nur noch zwei Torvorlage­n folgte in der Liga, eine davon jetzt in Augsburg, als Oscar Wendt seinen abgeblockt­en Schuss zum 2:1 nutzte. Aber ein eigener Treffer, das wäre für einen emotionale­n Spieler wie ihn vielleicht der nötige Brustlöser. Körperlich ist er viel weiter als zuvor, das wäre der Push fürs Ego.

Traorés Pech könnte sein Glück sein, denn vermutlich wäre der Guineer weiter vor ihm gewesen, so stark wie er spielte. „Es ist natürlich schade, dass Ibo jetzt fehlt. Er hat es sehr gut gemacht“, sagt Herrmann. Er weiß, wie sich Traoré fühlt, er war oft genug in den vergangene­n zwei Jahren der, der fehlte und zuschauen musste. Er weiß aber auch, dass der Fußball eben so ist, und dass so etwas immer auch eine Chance ist – für andere. In diesem Fall wie ihn. „Ich bin bereit“, sagt Herrmann. Gerade hat er sein 200. Bundesliga­spiel für Gladbach gemacht, da ist schon das nächste Jubiläum nicht weit: 248 Pflichtspi­ele hat er beisammen, noch zwei Partien fehlen zur 250.

Ibo Traoré hat derweil bei Twitter viel Zuspruch erhalten. „Kopf hoch“, schreiben die Fans. Traoré versichert, sich nicht unterkrieg­en zu lassen. „Ich komme zurück“, ließ er wissen – wann indes, das ist offen. Dafür soll bald Vincenzo Grifo wieder da sein, jedenfalls war seine Rückkehr nach der Kapselverl­etzung im Knie für die nächste Woche angedacht. Auch Tony Jantschke soll, so hoffen die Borussen, dann endgültig seine muskulären Probleme auskuriert haben.

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FOTO: DIRK PÄFFGEN Auf dem Weg zum Tor: Patrick Herrmann (r.) hofft, in der Bundesliga schnell wieder ein Erfolgserl­ebnis zu haben.

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