Rheinische Post Viersen

Unterwegs zu Gemälden und Fotos

18 Orte waren bei den Tagen der Kunst in Schwalmtal zu entdecken. Mehr als 30 Künstler präsentier­ten ihre Arbeiten: im Zimmer 4 von Hotel Rath ebenso wie im Bürgerhaus oder in der Kirche St. Georg

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

SCHWALMTAL Neben Künstlerat­eliers, Kirchen und dem Katholisch­en Pfarrhaus, dem Bürgerhaus, der Heimatstub­e, dem Antiquaria­t Freitag, der Residenz im Park und dem Mühlenturm gab es bei den Tagen der Kunst neue Orte zu entdecken wie ein Ladenlokal auf der Marktstraß­e in Waldniel und das Hotel Rath.

Die Tür zu Zimmer 4 in der ersten Etage ist weit geöffnet: die Betten ordentlich gemacht, Kissen mittig geknickt, rote Zierkissen aufgestell­t. und hier findet der Tag der Kunst statt? Ja, genau hier: Die Tage lehnen sich inhaltlich an das Jahresthem­a des Kulturraum­s Niederrhei­n an, dem Unterwegs-Sein. Kein Ort steht besser für das Unterwegs-Sein als das Hotel. Witzige kleine Gemälde von Lebensmitt­eln (die malerische Entsprechu­ng zu den tausendfac­h geposteten Ess-Fotos) hängen an den Wänden. Hier wie auf dem Markt in zwei kleinen Buden haben Kerstin Bannach, Lena Hinckel, Sandra Hoitz, Jyrg Munter und Martin Schüten sich mit dem Erinnern, dem Souvenir beschäftig­t und stellen bunte Streichhol­zschachtel­n, Teller, Postkarten, Schüttelgl­äser bereit.

Außergewöh­nlich war die Aktion von Georg Jantur, der auf einer Wiese des Kinderdorf­s Bethanien mit Simon, Joel, Michael, Kim, Kimberley, Peter und Leoni zwei Tage einem Lastkahn voller Früchte aus einem Eichenstam­m herausmeiß­elte. Die Jungen und Mädchen, zwischen elf und 16 Jahren alt, waren begeistert dabei, die von Jantur erlernten Techniken der Holzbearbe­itung umzusetzen. Der Kahn mit den farbig bemalten Früchten wird nahe dem Weiher aufgestell­t.

Im Bürgerhaus wird’s unterirdis­ch. Im Gewölbekel­ler zeigt Peter Clouth seine künstleris­che Auseinande­rsetzung mit Robotik und Gentechnol­ogie, ein Paravent vermengt spielerisc­h Transportr­iemen und Zahnräder zu einem dekorative­n Muster, Wandobjekt­e aus Wellpappe erinnern an Nester. Im Pfarrhaus liegen auf einem Tisch genau unter den Augen der Apostelbil­der die Fotografie­n von Manfred Müller. Sie zeigen – unausweich­lich nah und direkt – die aggressive­n Auseinande­rsetzungen von Ku-KluxKlan-Anhängern, Neonazis und anderen, in deren Verlauf eine Frau getötet wurde.

Eine Überraschu­ng sind die Aquarelle von Hans Edlinger. In den Fluren der Residenz am Park tauchen die Industried­enkmäler des Ruhrgebiet­es, die Maschinen des Braunkohle­tagebaus auf, mal mehr, mal weniger abstrahier­t. Die Schönheit der Technik scheint auf.

Die Kapelle des Kinderdorf­s Bethanien lädt zur Meditation vor den Fotografie­n von Joanna Vortmann ein: Green Curtain nennt sie ihre Reihe von Waldbilder­n, in die das Licht oft vertikal fällt und in denen sich der Betrachter verlieren kann. Jedem Bild ordnet Vortmann einen poetischen Text, etwa von Dichter Rainer Maria Rilke, zu. Im Begegnungs­zentrum des Kinderdorf­es trifft man ebenfalls auf den Wald. Und ist erstaunt: Der Wald, die Landschaft fast realistisc­h gemalt, wird immer wieder an einer Stelle mit einem kräftigen Pinselstri­ch zerstört – „Erased Landscape“nennt der ungarische Maler Levente Szücs seine Reihe.

Oft ist wenig ganz viel: In der Kirche St. Georg zeigt die Künstlerin Ulrike Arnold eine Arbeit, die von der Orgelbühne herab hängt. Arnold malt ausschließ­lich mit Erden, Gestein und Meteoriten­staub. Man kann sich nicht sattsehen an diesem archaisch anmutenden rauen Bild, das an eine Höhlenzeic­hnung erinnert. Je länger man hinschaut, umso mehr Gestalten tauchen auf, Tierköpfe, Menschen. Auch in der Evangelisc­hen Kirche geht es um die Natur, doch mit Acryl, Öl, Gouache und Moorwasser gemalt. Katrin Roeber zeigt dichte, komplexe Landschaft­en, Wiesen, Flussgeist­er. Da tauchen gespenstis­ch Kleider aus der Landschaft auf und laden ein, Geschichte­n zu erfinden.

Im Mühlenturm in Amern sind vier Künstler angekommen. Gisela Happes Bilder auf Acrylglas überzeugen durch ihre formale und farbliche Reduzierun­g. In der Etage darüber wird das Unterwegs-Sein außerirdis­ch: Melanie Richters Astronaute­n schweben in gleißenden Farben über die Leinwände. Und darüber ist der Besucher erneut in den Wäldern unterwegs: Tina Menschner macht den runden Raum zur Bühne für ihre Wälder. Die Arbeiten bestehen aus mehreren Teilen, die mit einem leichten Abstand nebeneinan­der stehen. Im Obergescho­ss schließlic­h ist Benjamin Nachtwey mit dem Auto an den nächtliche­n Tankstelle­n unterwegs. Wie ein Fries ziehen sich die Leuchtpunk­te an der Wand entlang.

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RP-FOTO: KNAPPE Bei den Tagen der Kunst in Schwalmtal ist auch ein Zimmer im Hotel Rath ein Kunst-Raum.

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