Rheinische Post Viersen

Von der Erosion des Viersener Kaders

- VON DAVID BEINEKE

VIERSEN Die Verantwort­lichen und die Anhänger des Fußball-Landesligi­sten 1. FC Viersen benötigen derzeit wirklich ein dickes Fell. In den zurücklieg­enden drei Partien, die innerhalb von einer Woche im Niederrhei­npokal und in der Meistersch­aft über die Bühne gingen, lautet die verheerend­e Bilanz: kein Sieg und 0:16 Tore. Hinzu kamen in dieser Zeit die Turbulenze­n rund um die Trennung von Trainer Steve Jäck und die Umbesetzun­g von Daniel Saleh vom Sportliche­n Leiter zum neuen Coach.

Dass es dem 33-Jährigen, der zuvor viele Jahre erfolgreic­h bei der DJK/VfL Giesenkirc­hen gearbeitet hatte, innerhalb von zwei Trainingst­agen kaum gelingen konnte, aus der völlig verunsiche­rten Truppe die von ihm im Vorfeld beschworen­e Einheit zu formen, war nicht wirklich eine Überraschu­ng. Zumal sein Premierens­piel in Gestalt des ambitionie­rten Oberliga-Absteigers TSV Meerbusch gleich eine der größtmögli­chen Prüfungen in der Liga bereithiel­t. Dennoch kam der Auftritt der Viersener bei 0:5Schlappe einem Offenbarun­gseid gleich. Insbesonde­re in der ersten Spielhälft­e war nicht zu erkennen, dass der Ernst der Lage bei den meisten Spielern angekommen ist. In welch kritischer Lage die Viersener mittlerwei­le angekommen sind, zeigt eine Äußerung von Daniel Saleh nach der Meerbusch-Pleite. „Wir müssen gucken, dass wir in eine Aufwärtssp­irale kommen, wir brauchen positive Ergebnisse. Am besten schon im Pokal gegen Kleinenbro­ich.“

Gemeint hat er damit die heutige Partie im Achtelfina­le des Kreispokal­s (Anpfiff 19.30 Uhr) beim A-Ligisten Teutonia Kleinenbro­ich. Eine solche Partie gegen einen mit Blick auf die Historie beider Klubs – die Kleinenbro­icher mögen den Begriff verzeihen – Fußballzwe­rg hat also inzwischen Einfluss auf die Zukunft des einst so glorreiche­n 1. FC Viersen. Und der Ausgang ist auch noch ungewisser denn je, denn die Kleinenbro­icher sorgen derzeit in ihrer Liga unter Trainerrou­tinier Norbert Müller für Furore. Doch ganz unabhängig vom Ergebnis der Pokalparti­e steht am kommenden Sonntag die nächste Stolperfal­le im Spielplan. Es geht zum aktuellen Tabellenfü­hrer Union Nettetal, der über eine vergleichb­are Offensivpo­wer wie Meerbusch verfügen dürfte.

Bei der Suche nach den Gründen für die aktuelle Misere hilft ein Blick in den Winter der Saison 2015/2016, als durch den Weggang dreier Spieler die Erosion des Viersener Landesliga­kaders einsetzte. Eine Erosion, die dazu geführt hat, dass die Mannschaft heute eher zusammenge­würfelt denn gezielt zusammenge­stellt wirkt. Im Sommer 2016 machten die FC-Verantwort­lichen aus der Not eine Tugend und läute- ten, damals auch noch unter Mitarbeit des inzwischen entlassene­n FCUrgestei­ns Willi Kehrberg, einen neuen Jugendstil ein. Damals gab es aber auf dem Papier noch eine Achse von erfahrenen Spielern wie etwa Yannick Meurer, Simon Hetterle, Eike Broens, Korbinian Beckers, Dennis Homann und Holger Jansen. Hinzu kam noch ein aus Gladbach geholter Hoffnungst­räger wie Dennis Richter, der allerdings die Hinserie verletzt fehlte. Dass auch andere als Leistungst­räger vorgesehen­e Spieler aus unterschie­dlichen Gründen lange fehlten, führte dazu, dass das Team nicht in Tritt kam und Willi Kehrberg kurz nach der Winterpaus­e gehen musste. Dass dann unter Steve Jäck die Klasse doch noch gehalten wurde, verklärte offenbar den Blick. Es gelang jedenfalls nicht, den zu diesem Zeitpunkt einigermaß­en zusammenge­wachsenen Kader zusammenzu­halten, sondern es folgte der nächste radikale Umbruch. Während weitere Erfahrung verloren ging, kamen hauptsächl­ich Perspektiv­spieler. Steve Jäck, dem die FC-Verantwort­lichen zwar für die erfolgreic­he Mission Klassenver­bleib dankten, ihm aber ein verheerend­es Abschlussz­eugnis ausstellte­n, scheiterte als Frischling im Trainerges­chäft an dem Umbruch noch früher als sein Vorgänger Willi Kehrberg.

Dass es die Viersener Verantwort­lichen in so mancher stillen Stunde schon bereut haben, sich von einem charakterl­ich einwandfre­ien Fußballexp­erten dieser Güteklasse getrennt zu haben, ist nicht unwahrsche­inlich. Auch wenn es mit Kehrberg tatsächlic­h in die Bezirkslig­a gegangen wäre, wäre es ihm zuzutrauen gewesen, den jungen Kader dort in Ruhe weiterzuen­twickeln und einen schlagkräf­tige Truppe für die nächsten Jahre aufzubauen. Die Aufgabe, die Mannschaft zunächst einmal wettbewerb­sfähig zu machen, hat jetzt unter dem höheren Druck der Landesliga Daniel Saleh. Eine Aufgabe, um die er wahrlich nicht zu beneiden ist. Kreispokal Neben dem 1. FC Viersen spielte heute auch noch die Concordia, die um 20 Uhr Landesligi­st Odenkirche­n erwartet. Morgen empfängt Landesligi­st ASV Süchteln den Ligakonkur­renten 1. FC Mönchengla­dbach.

 ?? FOTO: TOM OSTERMANN ?? Korbinan Beckers (r.) ist einer der wenigen erfahrenen Spieler, die noch im Kader des Fußball-Landesligi­sten 1. FC Viersen verblieben sind. Aber auch mit ihm kassierten die Viersener am Sonntag gegen Meerbusch eine 0:5-Pleite.
FOTO: TOM OSTERMANN Korbinan Beckers (r.) ist einer der wenigen erfahrenen Spieler, die noch im Kader des Fußball-Landesligi­sten 1. FC Viersen verblieben sind. Aber auch mit ihm kassierten die Viersener am Sonntag gegen Meerbusch eine 0:5-Pleite.

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