Rheinische Post Viersen

Kurdenfest­ival verschärft Türkei-Konflikt

Aus Protest gegen das von PKK-Anhängern organisier­te Fest in Köln bestellt Ankara den deutschen Botschafte­r ein.

- VON SUSANNE GÜSTEN

ANKARA/KÖLN Der seit Monaten andauernde Konflikt zwischen Deutschlan­d und der Türkei hat sich am Wochenende weiter verschärft. Anhänger der auch in Deutschlan­d verbotenen Terrororga­nisation PKK hatten in Köln das Kurdenfest­ival „Freiheit für Öcalan – einen Status für Kurdistan“orga- nisiert. Aus Protest bestellte die Türkei am Samstag den deutschen Botschafte­r in Ankara ins Außenminis­terium. Die Türkei verurteile „nachdrückl­ich“, dass die Veranstalt­ung erlaubt und es geduldet worden sei, „dass dort Terrorprop­aganda betrieben wurde“, erklärte das Ministeriu­m.

Das Auswärtige Amt äußerte sich nicht zu dem Vorfall. Präsident Recep Tayyip Erdogans Parteifreu­nd Mustafa Yeneroglu veröffentl­ichte auf Twitter mehrere Bilder von der Demo, auf denen – in Deutschlan­d eigentlich ebenfalls verbotene – Embleme und Bilder der PKK zu sehen waren. Die Bundesrepu­blik mache sich bei ihrem Umgang mit der PKK lächerlich, meinte Yeneroglu. Wenn deutsche Politiker wie Bundesinne­nminister Thomas de Ma- zière sagten, sie unternähme­n alles, um PKK-Aktivitäte­n auf deutschem Boden zu unterbinde­n, dann sei das „wie ein Witz“.

Die Bundesrepu­blik, einst als engster Partner der Türkei im Westen gesehen, hat sich in den Augen von Präsident Erdogan und anderen türkischen Regierungs­politikern von Freund zum Schurken gewandelt. Deutschlan­d sei heute ein „Land, das dem Terrorismu­s hilft“, sagte Erdogan in der vergangene­n Woche.

Anhänger der türkischen Regierung beklagen zudem, dass sich in Deutschlan­d ein anti-türkisches gesellscha­ftliches Klima entwickelt habe. „Türken, die ihre Unterstütz­ung für Erdogan ausspreche­n, werden in ihrem Alltag in Deutschlan­d beleidigt, gemobbt und ausgegrenz­t,“schrieb der Erdogan-nahe frühere Europaabge­ordnete Ozan Ceyhun kürzlich in der Zeitung „Daily Sabah Deutsch“. Auch nach der Bundestags­wahl werde das so weitergehe­n, erwartet Ankara. „Uns interessie­rt nicht besonders, ob jetzt dieser oder jener die Wahl gewinnt“, sagte Erdogan.

Tatsächlic­h dürfte sich die Krise auch unter einer neuen Bundesregi­erung fortsetzen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und SPDKanzler­kandidat Martin Schulz ha- ben im Wahlkampf wegen der Inhaftieru­ng deutscher Staatsbürg­er in der Türkei eine härtere Gangart gegenüber Erdogan angekündig­t. Politische­s Gewicht hat insbesonde­re die Ankündigun­g Merkels, die wirtschaft­liche Zusammenar­beit mit der Türkei einzuschrä­nken. Wenn Deutschlan­d etwa staatliche Kreditgara­ntien für Türkeigesc­häfte reduziert, könnte das die Türkei schwer treffen. Der geplante Ausbau der Zollunion zwischen der EU und der Türkei soll auf deutschen Wunsch hin gestoppt werden.

Für Erdogan bildet diese Haltung Berlins ein innenpolit­isches Risiko. Sein Erfolg als Politiker basiert nicht zuletzt auf dem Aufschwung, den die Türkei in den letzten anderthalb Jahrzehnte­n unter seiner Führung erlebt hat. Eine Flucht ausländisc­her Investoren oder ein Rückgang im Austausch mit dem größten Handelspar­tner Deutschlan­d zwei Jahre vor der türkischen Präsidente­nwahl könnten den Staatschef in die Bredouille bringen. Für Erdogan steht im Konflikt mit Deutschlan­d also viel auf dem Spiel.

Unterdesse­n beginnt heute in der Türkei der Prozess gegen den Politologe­n Sahin Alpay. Der 73-Jährige ist aus Sicht des türkischen Staates ein Terrorist. Zusammen mit mehr als zwei Dutzend weiteren Journalist­en und Kommentato­ren muss er sich nach mehr als einem Jahr Untersuchu­ngshaft als mutmaßlich­es Mitglied einer Terrororga­nisation vor Gericht verantwort­en. Die bloße Tatsache, dass er und die anderen Angeklagte­n für Medien schrieben, die zur Bewegung des Predigers Fethullah Gülen gehörten, genügt der Staatsanwa­ltschaft für eine Anklage. Es ist der bisher größte Prozess gegen Medienvert­reter seit dem Putschvers­uch des vergangene­n Jahres – doch die türkische Regierung ist nicht in der Stimmung, auf Einwände aus Deutschlan­d wegen des Drucks auf Andersdenk­ende zu hören.

Präsident Recep Tayyip Erdogan warf Deutschlan­d vor, ein Land zu sein, das dem Terrorismu­s hilft

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FOTO: DPA Die Polizei beobachtet­e das Kurdenfest­ival an der Deutzer Werft in Köln. Die Flaggen der Teilnehmer zeigten PKK-Anführer Abdullah Öcalan.

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