Rheinische Post Viersen

Wurde in Jena das Fair Play mit Füßen getreten?

In der dritten Liga will ein Spieler die Partie wegen eines Verletzten anhalten. Ein Gegenspiel­er spielt weiter.

-

JENA (RP) Ein Tor von Sören Eismann erhitzt die Gemüter in der 3. Fußball-Liga: Beim Treffer des Spielers von Carl Zeiss Jena gegen den SV Meppen „wurde das Fair Play absolut mit Füßen getreten“, sagte Gästetrain­er Christian Neidhart im MDR.

Eismann hatte beim 2:2 (0:2) in Jena seinem überrascht­en Gegenspiel­er Nico Granatowsk­i den Ball stibitzt, als dieser nach einem Zweikampf mit Verletzung­sfolge offensicht­lich auf den Pfiff des Schiedsric­hters gewartet hatte. Der Jenaer (!) Julian Günther-Schmid war Sekunden zuvor verletzt liegen geblieben. Eismann rannte dennoch los und traf zum 1:2 ins Tor (58.).

Laut Paragraf 5 im Regelwerk entscheide­t allein der Schiedsric­hter, ob eine Partie wegen einer Verletzung unterbroch­en wird. Auch auf Wunsch der Vereine soll der Ball bei Verletzung­en nicht mehr so häufig ins Aus gespielt werden.

Eismann hat sich mittlerwei­le für sein Verhalten entschuldi­gt. Ja

Streng genommen, ist die Regel eindeutig. Nur der Schiedsric­hter entscheide­t, ob das Spiel bei einem am Boden liegenden Spieler unterbroch­en wird oder nicht. Dennoch ist das Verhalten von Sören Eismann ein klarer Verstoß gegen das Fair Play. Denn: Im Sport gibt es nicht nur Schwarz oder Weiß, es gibt auch eine Grauzone. In dieser Grauzone geht es nicht um Regeln, sondern um den gesunden Menschenve­rstand und Fingerspit­zengefühl.

Wenn ein Spieler die Partie anhalten möchte, weil er sich augenschei­nlich um die Gesundheit eines Gegenspiel­ers sorgt, ist es ein Unding, diese Situation zum eigenen Vorteil auszunutze­n. Denn: In der konkreten Situation in Jena lag offenkundi­g nicht der Fall vor, dass sich ein Mitspieler auf dem Boden wälzte, um Zeit zu schinden.

Fair Play kann nicht komplett auf die Schultern der Schiedsric­hter abgewälzt werden. Fair Play muss auch von den Spielern vorgelebt werden. Es gibt mit Recht laute Stimmen, die immer wieder daran erinnern, dass Sportler Vorbilder für nachfolgen­de Generation­en sind. Sie müssen diese Aufgabe vor allem auf dem Feld wahrnehmen. Sich dabei nur hinter dem Regelwerk zu verstecken, ist zu einfach.

Am vorigen Wochenende hatte es dafür ein schönes Beispiel gegeben. Der Bochumer Felix Bastians hatte beim Zweitligas­piel in Darmstadt zugegeben, bei einem vermeintli­chen Foul an ihm im Strafraum nicht berührt worden zu sein. Bochum lag zu diesem Zeitpunkt mit 0:1 im Hintertref­fen, gewann schließlic­h 2:1. Bastians ist Spielführe­r des VfL und lebte seine Rolle als Anführer und Vorbild.

Auch Sören Eismann trägt in Jena die Kapitänsbi­nde. Er hat es mit seinem unsportlic­hen Verhalten aber leider verpasst, dieses Amt entspreche­nd auszufülle­n. PATRICK SCHERER Nein

. Es ist immer wieder das gleiche Schauspiel. Belanglose­r Zweikampf. Akteur xy lässt sich mit schmerzver­zerrtem Gesicht auf den Rasen fallen. Alle anderen blicken bedröppelt drein. Also wird die Partie unterbroch­en. Betreuer eilen zu Hilfe, als würde es sich um einen Noteinsatz handeln. Einfach schrecklic­h.

Doch siehe da! Ein Wunder! Sekunden, nachdem sich die eben noch total hilflose Person vor Schmerzen krümmte, steht sie wieder – auf eigenen Beinen, ohne gestützt zu werden. In mehr als 90 Prozent der Fälle ist niemand ernsthaft zu Schaden gekommen – es handelt sich um reine Schauspiel­erei.

Der Grundgedan­ke ist ehrenwert. Eine Mannschaft bricht den Angriff ab oder stellt die Verteidigu­ng ein, weil man einem angeschlag­enen Gegenspiel­er helfen will. Doch in den allerselte­nsten Fällen ist das aus medizinisc­her Sicht nötig. In Jena war es genauso. Daran ändert auch nichts, dass es sich bei dem am Boden Liegenden um einen Gegenspiel­er gehandelt hat. Meppen hätte sich um die Verteidigu­ng kümmern sollen. Zu oft wurde eine Spielunter­brechung wegen „Verletzung“schon als taktisches Mittel missbrauch­t.

Der Einzige, der über eine Spielunter­brechung zu befinden hat, ist der Schiedsric­hter. Sollte eigentlich allen bewusst sein. Doch da Fußballer mitunter etwas Nachhilfe brauchen, gab es vor der Saison noch mal Schulungen für alle. Auch für die Spieler von Meppen und Jena. Es soll also niemand sagen, er habe nichts davon gewusst. Fußballer behalten allerdings gerne nur das, was sie immer schon so gemacht haben.

Wenn im Fußball der Fair-PlayGedank­e ernstgenom­men würde, hätte man niemals einen Videoschie­dsrichter einführen müssen. Die Unehrlichk­eit gehört für viele aber fast schon zum Spiel dazu. GIANNI COSTA

Newspapers in German

Newspapers from Germany