Rheinische Post Viersen

Auf der Spur des Heiligen Martin

Martinsver­eine im Rheinland wollen dafür sorgen, dass die Tradition der Martinszüg­e als immateriel­les Kulturerbe anerkannt wird. Zur Versammlun­g der Vereine und Komitees in Brüggen kamen jetzt fast 200 Ehrenamtle­r

- VON BIRGITTA RONGE

KREIS VIERSEN In Dülken dürfen Martinsfre­unde in diesem Jahr auf eine 150 Jahre alte Tradition zurückblic­ken: Der früheste Beleg über einen Umzug am Martinstag stammt aus dem Jahr 1867, zwei Jahre später wurde der St.-Martinsver­ein gegründet. In Dülken ist einiges anders als anderswo: Vorn im Zug gibt es keinen Reiter, sondern eine Mühle. Und während andernorts Martinslie­der gesungen werden, die den barmherzig­en Mann in den Mittelpunk­t stellen, heißt es in Dülken: „Loop, Müller, loop“– im Mittelpunk­t des Liedes steht ein Müller.

Die Martinstra­dition wird im Rheinland von Ort zu Ort unterschie­dlich gefeiert. Es gibt viele Ähnlichkei­ten, aber auch einige Besonderhe­iten. Und denen sind zwei Martinsfre­unde aus dem Kreis Viersen auf der Spur, die sich für das Brauchtum einsetzen: René Bongartz aus Brüggen und Jeya Caniceus aus Kempen wollen dafür sorgen, dass die Martinstra­dition im Rheinland in das Inventar des immateriel­len Kulturerbe­s aufgenomme­n wird. In diesem Verzeichni­s werden regional verankerte Bräuche, traditione­lle Handwerkst­echniken, Lied- und Musiktradi­tionen gesammelt, die erhalten und dokumentie­rt werden sollen.

Die Initiatore­n hatten nun Vertreter von Martinsver­einen und -komitees im Rheinland zu einer Versammlun­g nach Brüggen eingeladen. Rund 200 Vertreter von etwa 70 Vereinen kamen in den Brachter Bürgersaal, unter anderem aus dem Kreis Viersen, aus Krefeld, Mönchengla­dbach, Emmerich, Dinslaken, Düsseldorf, Neuss, Hilden, Straelen und Stolberg.

Wie die Martinsver­eine und -komitees entstanden sind, erklärte Martin Happ, der über das Martinsbra­uchtum promoviert hat. Happ gab einen Überblick über die Entstehung der Martinstra­dition seit dem Mittelalte­r, stellte die Verbindung zum Martinstag als Zahltag dar und verwies auf die Verbindung zum Karneval: Früher gab es auch vor Weihnachte­n eine Fastenzeit – der Elfte im Elften, der Martinstag, war die letzte Gelegenhei­t, um noch mal richtig zu feiern. Man trank gut, man aß gut, und weil mit der Fastenzeit auch eine sexuelle Enthaltsam­keit einher ging, kam es auch in diesem Bereich zu Ausschweif­ungen. Anhand von Gemälden aus dem 16. Jahrhunder­t zeigte Happ, wie derb damals gefeiert wurde. Der Obrigkeit waren die Ausschweif­ungen am Martinstag schon früher ein Dorn im Auge gewesen: Verbote der Martinsfeu­er, von denen eine große Brandgefah­r ausging, sind für das 14./15. Jahrhunder­t belegt.

Am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts änderte sich das. Martinsver­eine und -komitees wurden gegründet. Das ungeordnet­e Brauchtum, das mit jugendlich­em Schabernac­k einherging, wurde geordnet. Das ist noch heute so. Happ: „Das Fest der Kinder und Jugendlich­en ist zu einem Fest für Kinder und Jugendlich­e unter Aufsicht der Erwachsene­n geworden.“

 ?? RP-FOTO: (ARCHIV): BUSCH ?? Die Bettlersze­ne auf dem Gereonspla­tz in Viersen: Martin, hier gekleidet als römischer Soldat zu Pferde, teilt seinen Mantel mit einem armen Mann. Zu dieser Spielszene gehört in Viersen auch ein wärmendes Feuer.
RP-FOTO: (ARCHIV): BUSCH Die Bettlersze­ne auf dem Gereonspla­tz in Viersen: Martin, hier gekleidet als römischer Soldat zu Pferde, teilt seinen Mantel mit einem armen Mann. Zu dieser Spielszene gehört in Viersen auch ein wärmendes Feuer.

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