Rheinische Post Viersen

Der Soziologe des Bauens: Albert Speer jr. ist tot

Der Städteplan­er musste sich zeitlebens von seinem Vater, dem Lieblingsa­rchitekten Hitlers, distanzier­en.

- VON DOROTHEE KRINGS

FRANKFURT Er wollte nicht nur Häuser bauen, sondern Städte, wollte Orte schaffen, an denen Menschen Wohn- und Freiraum zum Leben finden können. Doch sollten sie der Natur nur so viel Grund rauben, dass es ein Jenseits der Städte auch in vielen Generation­en noch geben kann. Und so entwarf Albert Speer jr. Häuser, Viertel, ganze Städte in der gesamten Welt, die seine Handschrif­t tragen, aber eben keine Monumente sind.

Das unterschie­d ihn von seinem Vater, der den gleichen Namen trug, Hitlers Rüstungsmi­nister und Chefarchit­ekt war, Prachtbaut­en entwarf und als „Generalbau­inspektor für die Reichshaup­tstadt“den von Hitler erdachten Umbau Berlins zur Reichshaup­tstadt Germania vollziehen sollte. Speer junior hat sich der Familienge­schichte gestellt, hat etwa 2005 an Heinrich Breloers Doku-Drama „Speer und Er“mitgewirkt, das seinen Vater als NS-Großbaumei­ster porträtier­te. Vor allem aber distanzier­te er sich in seinen eigenen Entwürfen von der Gigan- tomanie der Nazis, spielten für ihn doch Raumverbra­uch und Nachhaltig­keit eine wesentlich­e Rolle. Monumente interessie­rten ihn nicht, Großprojek­te schon.

So hat er eine Diplomaten­stadt im saudi-arabischen Riad entworfen, den Masterplan für die Fußballwel­tmeistersc­haft 2022 in Katar, eine Autostadt in China für 300.000 Menschen. Dafür dass er auch in Staaten mit zweifelhaf­tem Ruf arbeitete, wurde er kritisiert. Er hingegen meinte, dass gerade die Deutschen sich nicht anmaßen sollten, über das Leben in anderen Ländern zu urteilen. Er sah eher das Kritikwürd­ige im eigenen Land, fand seine Heimat oft zu schwerfäll­ig.

Geboren wurde Speer jr. 1934 in Berlin. Er stotterte als Kind, hatte Schwierigk­eiten in der Schule. Abi- tur machte er nach einer Schreinerl­ehre an einer Abendschul­e in München. Doch als er sich der Architektu­r zuwandte, dachte er gleich in größeren Dimensione­n, wollte das Zusammenle­ben von Menschen gestalten. 1964 gründete Speer sein Büro in Frankfurt. Vier Jahre später bekam er seinen ersten Auslandsau­ftrag: die Planung von West-Tripolitan­ien in Libyen.

Auch in Deutschlan­d hinterläss­t er Spuren: Er plante für die Weltausste­llung „Expo 2000“in Hannover, entwarf einen Masterplan für die Kölner Innenstadt und war an der Gestaltung des Europavier­tels auf dem ehemaligen Güterbahnh­of in seiner Heimat Frankfurt beteiligt.

Nun ist Albert Speer im Alter von 83 Jahren unerwartet in Frankfurt gestorben.

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FOTO: DPA Der Architekt Albert Speer jr.

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