Irren ist sportlich
Keine Frage, dieses Spiel in Dortmund wäre ganz anders verlaufen. Sagen die einen, also die Kölner. I wo, viel zu deutlich sei der Leistungsunterschied gewesen, brüsten sich die 5:0 siegenden Dortmunder. Tor oder nicht Tor, das ist nur eine Frage an diesem wahrhaft tragischen Abend. Die andere: Durfte der Videoschiedsrichter überhaupt eingreifen und das Tor geben? Ausgerechnet der frisch eingeführte Videobeweis – mit dem die Fehlerquote der Schiedsrichter deutlich minimiert werden sollte – könnte ein juristisches Nachspiel und eine Neuansetzung des Spiels zur Folge haben.
Ein Kuriosum? Eher nicht. Denn die Absolutheit, die zum Kern des Beweises gehört, wird ihrem Anspruch nie gerecht werden. Sie ist darum auch viel angreifbarer als eine mehr oder weniger schnöde Fehlentscheidung des Schiedsrichters. Konnte man früher seine Wut auf den angeblich Unparteiischen da unten auslassen, muss nun eine höhere Instanz angerufen werden. Die Folge davon wird sein: pompöse Gerichtsverhandlung statt kurzes Pfeifkonzert. Bei übereifriger ungeschickter Handhabung könnte der Videobeweis auch bewirken, dass immer öfter Spieltage selbst nach dem Wochenende nicht beendet sein werden. Der deutsche Fußball wird ganz neue Verlängerungen kennenlernen. Das ist ziemlich ärgerlich im schnurrenden Bundesligabetrieb. Fatal aber wäre eine solch verzwickte Situation etwa beim DFB-Pokal-Endspiel. Würde man dann vorsichtshalber den Pokal erst einmal nicht überreichen?
Die Frage nach Sinn und Unsinn von Videobeweisen berührt tiefere Schichten des Spiels. Und dass am Sonntag selbst von der Südtribune – die eigentlich Biotop jedes eingefleischten Borussen ist – die Videoentscheidung mit Rufen kommentiert wurde wie „Ihr macht unseren Sport kaputt“, lässt darauf schließen, dass im „Sündenfall“zu Dortmund viele mehr als nur den kuriosen Einzelfall sehen. Sie fürchten um das Wesen des Spiels.
Zu Recht. Denn mit dem Videobeweis wurde derart grundlegend ins Spiel eingegriffen, dass es sein Wesen verändern muss. Neben etlichen anderen hat der niederländische Anthropologe Johan Huizinga (1872–1945) das Spiel so zu definieren versucht: als etwas Freiwilliges, das sich zu einer festgesetzten Zeit in einem definierten Raum (dem Spielfeld) nach festen Regeln ereignet. So weit, so gut – und so passend auch fürs Fußballspiel. Mit dem Videobeweis, genauer: mit dem externen Videoschiedsrichter wird das Spielfeld aber verlassen oder auch aufgebrochen. Die Entscheidung in brenzligen Situationen wird damit außerhalb der Wahrnehmung der Zuschauer gefällt. War der Schiedsrichter einst als fleißiger „Mitläufer“auf dem Feld ein selbstverständlicher Teil des Spiels, wirken jetzt seine im wahrsten Sinne externen Kollegen unsichtbar mit. Wie eine Art „Deus ex machina“. Diese Inszenierung weckt dann ein Gefühl der Ohnmacht – bei allen unmittelbar und mittelbar Beteiligten. Der Videobeweis nimmt etwas Unheimliches an.
Die Sportfunktionäre dürften es kaum im Sinn gehabt haben, dass ihr Bemühen um Wahrheitsfindung zu den antiken Ursprüngen des Spiels führt. Das sollen nämlich nach den Vorstellungen der Griechen die Götter selbst erfunden haben. Und wenn Götter so etwas tun, ist meist auch heiliger Ernst im Spiel. Plötzlich gab es sogenannte Glücksgötter, und mancher Kriegsherr soll seine Strategie von einem zuvor getätigten Spiel abhängig gemacht haben. Eine unter Umständen fatale Spielleidenschaft.
Mit dem Tod der antiken Götter und dem Ende ihres Einflusses auf die sterblichen Erdenbewohner hat sich auch das Wesen des Spiels gewandelt. Es ist
Es klingt merkwürdig, aber: Mit dem Videobeweis werden Fehlentscheidungen angreifbarer als zuvor
fie hat der 52-Jährige gestanden. Er ist inzwischen von allen Ämtern zurückgetreten und aus der SPD ausgetreten. Hier geht es nicht nur um den tiefen Fall eines ehemaligen Politikers. Es geht um einen mutmaßlichen Straftäter, dem nun bis zu 15 Jahre Haft drohen. Förster promovierte an der Universität Augsburg, war Unternehmensberater. 1984 trat er der SPD bei. Konfession: keine. Familienstand: ledig. So steht es noch heute in seinem Abgeordnetenprofil. Förster saß bis 2016 im Landtag Bayerns, machte aber kaum Schlagzeilen – weder politisch noch privat. Er war stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Bundes- und Europaange-