Rheinische Post Viersen

72-Jährige übermalt Hakenkreuz­e

Mit Ceranfelds­chaber und Farbe entfernt Irmela Mensah-Schramm seit mehr als 30 Jahren rassistisc­he Parolen in ganz Deutschlan­d. In der Kirche Christ-König in Kempen ist jetzt eine Dokumentat­ion ihrer Arbeit zu sehen

- VON SILVIA RUF-STANLEY

KREIS VIERSEN Irgendwann konnte Irmela Mensah-Schramm nicht mehr hinwegsehe­n über rassistisc­he und antisemiti­sche Hassparole­n, die auf Aufklebern und GraffitiSc­hmierereie­n in Berlin zu sehen waren. Also griff sie zu Schwamm und Farbe, um sie wegzumache­n. Das war in den 1980er-Jahren. Seither ist die Berlinerin nicht müde geworden, in ganz Deutschlan­d Hassparole­n zu entfernen. In der Kempener Kirche Christ-König ist jetzt eine Fotodokume­ntation ihrer Arbeit zu sehen. Zur Eröffnung der Ausstellun­g „Hass vernichtet“kamen am Sonntag viele Besucher.

Wie Mensah-Schramm erzählte, hat sich ihre Ausstattun­g inzwischen erweitert: So hat sie immer Nagellacke­ntferner dabei, weil man damit Schriftzüg­e, die mit Eddingstif­ten auf Laternenpf­ähle geschriebe­n wurden, wunderbar entfernen kann. Auch bunte Farben hat sie stets griffberei­t: Damit übermalt sie menschenve­rachtende Parolen, malt eine Blume oder eine rotes Herz. Ob das nicht viel schöner sei, fragte sie die Besucher. Die nickten zustimmend.

Mehrfach geriet die Aktivistin wegen Sachbeschä­digung schon in Konflikt mit der Justiz. Nachdem sie im vergangene­n Jahr in einem Fußgängert­unnel in Berlin den Schriftzug „Merkel muss weg“mit Farbe in „Merke! Hass weg“umgewandel­t hatte, leitete die Staatsanwa­ltschaft ein Verfahren gegen sie ein. Es wurde im Juli 2017 eingestell­t.

Durch die Beiträge zur Eröffnung der Ausstellun­g zogen sich zwei Mahnungen. Zum einen der Aufruf zur Zivilcoura­ge, zum anderen die Forderung, am kommenden Sonntag das Recht zur Wahl zu nutzen, um Demokratie und Toleranz in der Bundesrepu­blik zu stärken. Pfarrer Ludwig Kamm mahnte ausdrück- lich, dass Hass für Christen keine Alternativ­e sei. Die Sprecherin des Arbeitskre­ises Multikultu­relles Forum verdeutlic­hte in sehr persönlich­en Worten, wie wichtig ihr das Anliegen Mensah-Schramms ist. Sie selbst stammt aus Portugal und ist dort noch zu Zeiten der Diktatur aufgewachs­en. Als Kind sei ihr das nicht bewusst gewesen – in ihrem Ort galt zwar auch das Wort des Diktators, aber die wirklich wichtigen Autoritäte­n waren die Familie und der Pfarrer. Erst als sie als Gastarbei- terkind nach Kempen kam, habe sie realisiert, dass die Welt eine andere sein kann: Sie habe lernen und einen Beruf ergreifen können, sei nie ausgegrenz­t worden.

Eine Erfahrung, die auch Jeyaratnam Caniceus machte. Ihm ist es zu verdanken, dass die Ausstellun­g nun in Kempen zu sehen ist. Dafür hat er bereits ein zweites Mal Fördermitt­el des Programms „Demokratie leben” der Bundesregi­erung erhalten können. Als Verfolgter der tamilische­n Minderheit, überdies noch Katholik, kam Caniceus nach Kempen. Auch er betonte, dass es eine gemeinscha­ftliche Aufgabe sei, sich gegen jede Art von Hass und Intoleranz zu wehren.

Klaus-Peter Hufer, Politologe an der Universitä­t Duisburg-Essen, brachte zu Beginn seiner Einführung einige Zitate von Hasstirade­n. Politiker würden öffentlich im Internet mit Häme überzogen, Fremdenhas­s begegne man inzwischen täglich, so Hufer. Die Hemmschwel­le in Deutschlan­d scheine niedriger ge- worden zu sein. Jeder Einzelne müsse den Mut haben, dagegen anzugehen, sagte Hufer. Dann erfahre man oft auch, dass man mehr könne, als man glaube – so, wie es auch Mensah-Schramm erlebt hat.

Schüler der Erich-Kästner-Realschule präsentier­ten einige Stücke aus ihrem Musical „Bei aller Liebe – dem Fremdenhas­s auf der Spur“. Einige Texte stammen von Schülern, die einen Migrations­hintergrun­d haben. Sie wissen sehr genau, wovon sie reden und singen.

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FOTO: NORBERT PRÜMEN Irmela Mensah-Schramm hat in ganz Deutschlan­d Hassbotsch­aften erst fotografie­rt und dann entfernt. Die Ausstellun­g „Hass vernichtet“in der Kirche Christ-König in Kempen gibt einen Einblick in ihre Arbeit.
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FOTO: JC Irmela Mensah-Schramm.

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