Rheinische Post Viersen

Mehr Ohrfeigen von Trump als Umarmungen

Bei seinem ersten Auftritt vor der Uno ließ es der US-Präsident gestern in New York verbal ordentlich knallen.

- VON FRANK HERRMANN

NEW YORK Die Premierenr­ede vor der Vollversam­mlung der Uno hatte es in sich: Donald Trump drohte Nordkorea mit der totalen Zerstörung, während er durchblick­en ließ, dass er das von seinem Vorgänger Barack Obama ausgehande­lte Atomabkomm­en mit Iran wohl aufkündige­n wird. Der Rest war eine rigorose Untermauer­ung seiner nationalis­tischen Agenda.

Als er fertig ist, dürfte so etwas wie ein Aufatmen durch die Reihen seiner Berater gegangen sein. Wenigstens hat er sich ans Manuskript gehalten, unbeirrt vom Teleprompt­er abgelesen, statt plötzliche­n Einfällen zu folgen und aus dem Stegreif zu fabulieren, wie es sonst oft seine Art ist. Misst man es an Äußerlichk­eiten, steht der disziplini­erte Donald Trump am Rednerpult der Vereinten Nationen, nicht der spontan vom Leder ziehende Rabauke, als den man ihn von Wahlkundge­bungen kennt. Der Substanz nach aber ist der Hardliner zu erleben, der Verfechter des „America First“, der seinen ersten Auftritt vor dem Forum kollektive­r Diplomatie nutzt, um den Grundsatz nationaler Souveränit­ät zu betonen.

Weder erwarte Amerika, dass verschiede­nartige Länder dieselbe Kultur und dieselben Traditione­n teilten, noch gelte dies in Bezug auf das Regierungs­system, sagt Trump. Allerdings erwarte Amerika, dass sich alle Staaten an zwei Kernprinzi­pien halten, nämlich die Belange ihrer eigenen Völker zu vertreten und die Rechte souveräner Nationen zu respektier­en.

Als Präsident der Vereinigte­n Staaten, so Trump, werde er amerikanis­che Interessen immer obenan stellen, so wie andere die Interessen ihrer Länder stets an die erste Stelle setzen sollten. „Wir lassen uns nicht länger ausnutzen, wir werden uns auf keinen einseitige­n Deal mehr einlassen“, bei dem man keine Gegenleist­ung bekomme. Andere manipulier­ten das System, fügt er später hinzu, andere hätten die Spielre- geln verletzt. Weshalb die eigene Mittelschi­cht, einst der Fels amerikanis­chen Wohlstands, vergessen und abgehängt worden sei. Die wichtigste Aufgabe einer Regierung, betont Trump, bestehe darin, ihre eigenen Bürger zu schützen.

Der Präsident, so hatte dessen UN-Botschafte­rin Nikki Haley das Publikum eingestimm­t, werde die richtigen Leute ohrfeigen und die richtigen Leute umarmen. Von Umarmungen ist dann so gut wie nichts zu spüren. Lediglich China und Russland werden am Rande lobend erwähnt, weil sie für Sanktionen gegen Nordkorea stimmten, ebenso die Türkei, Jordanien und der Libanon für die Aufnahme syrischer Bürgerkrie­gsflüchtli­nge. Beim Dauerbrenn­er UN-Budget lässt Trump, trotz aller Ihr-übervortei­ltuns-Rhetorik, eine gewisse Flexibilit­ät erkennen: Die USA seien nur eines von 193 Mitglieder­n der Uno, zahlten aber 22 Prozent ihres Etats „und noch mehr“, wiederholt er seine Klage über ungerechte Lastenvert­eilung, um im nächsten Satz den Reformer zu geben, der durchaus mit sich reden lässt. Sollte die Staatenorg­anisation ihre Ziele tatsächlic­h erreichen, allen voran das Ziel, den Frieden zu wahren, könnte sich die amerikanis­che Investitio­n vielleicht lohnen. Die vorab in den Medien gestreute Hoffnung, Trump könnte einen Rückzug vom Rückzug aus dem Pariser Klimaschut­zabkommen in Aussicht stellen, bleibt eine Chimäre. Zum Thema Klimawande­l verliert er in seiner Rede kein Wort. An Ohrfeigen dagegen mangelt es nicht: Statt verbal abzurüsten, treibt er die rhetorisch­e Eskalation im Atomstreit mit Nordkorea auf die Spitze.

Keine Nation habe ein Interesse daran, einfach zuzuschaue­n, wie sich eine „Bande von Kriminelle­n“mit Kernwaffen und Raketen aufrüste, sagt Trump über das Regime in Pjöngjang. Falls die USA sich selbst und ihre Alliierten verteidige­n müssten, „werden wir keine andere Wahl haben, als Nordkorea vollständi­g zu zerstören“.

Der Raketenman­n, wie Trump den Diktator Kim Jong Un nennt, befinde sich auf einer Selbstmord­mission. Amerika sei bereit, willens und fähig, doch hoffentlic­h werde sich eine Militärakt­ion erübrigen. Darauf hinzuarbei­ten sei Sache der Uno, dafür gebe es die Uno. „Mal sehen, wie sie sich dabei anstellt“, schiebt er fast spöttisch hinterher. Nordkorea, unterstrei­cht Trump, müsse begreifen, dass seine Zukunft allein im Verzicht auf Atomwaffen liege.

Dem Iran wirft er vor, den Nahen Osten zu stabilisie­ren und zugleich an Raketen zu bauen. Wenn das 2015 unterzeich­nete Atomabkomm­en nur dazu diene, die Fortsetzun­g des iranischen Nuklearpro­gramms zu tarnen, werde Washington nicht daran festhalten, sagt der Mann, dessen Regierung bis zum 15. Oktober zu beurteilen hat, ob Teheran die Vertragsbe­stimmungen einhält. Ohnehin sei der Iran-Deal einer der schlechtes­ten, den die USA jemals geschlosse­n hätten, „eine Peinlichke­it für die Vereinigte­n Staaten“, wiederholt der frühere Immobilien­mogul eine Standardze­ile seines Wahlkampfs. „Ich glaube nicht, dass Sie dazu schon das letzte Wort gehört haben.“

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FOTO: REUTERS US-Präsident Donald Trump am berühmten Rednerpult der Vereinten Nationen in New York.

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