Suu Kyi bietet geflohenen Muslimen Rückkehr nach Myanmar an
NAYPYIDAW (dpa) Angesichts der Massenflucht von mehr als 420.000 Muslimen aus Myanmar hat Regierungschefin Aung San Suu Kyi erstmals Gewalt und Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land verurteilt. In einer Rede an die Nation vermied sie gestern jedoch jede Kritik an den mitregierenden Militärs. Von ihr kam auch kein Wort des Bedauerns an die Adresse der muslimischen Rohingya-Minderheit. Die Friedensnobelpreisträgerin versicherte aber: „Alle von uns wollen Frieden und keinen Krieg.“
Suu Kyi bot auch an, Flüchtlinge wieder aus dem Nachbarland Bangladesch aufzunehmen. Sie machte dies aber von einer „Überprüfung“abhängig. Wie genau das aussehen soll, ließ sie offen. Die Rede in der Hauptstadt Naypiydaw war für die 72-Jährige der erste öffentliche Auftritt seit Beginn der neuen Krise Ende August. Wegen ihres Verhaltens steht sie international massiv in der Kritik. Einen Auftritt bei der UN-Vollversammlung hatte sie abgesagt. Menschenrechtler äußerten sich über die Rede enttäuscht.
Die Nobelpreisträgerin führt nach einem klaren Wahlsieg seit anderthalb Jahren in Myanmar, dem ehemaligen Birma, die Regierung. Zuvor hatte sie bis 2010 wegen ihres Widerstands gegen die frühere Militärjunta fast 15 Jahre in Hausarrest verbracht. Wie die große Mehrheit der Bevölkerung ist Suu Kyi buddhistischen Glaubens. Die muslimische Minderheit der Rohingya umfasst mehr als eine Million Menschen. Sie sind staatenlos, nachdem ihnen die Militärjunta 1982 die Staatsbürgerschaft entzogen hatte.
Suu Kyi betonte in ihrer auf Englisch gehaltenen Rede: „Als verantwortliches Mitglied der Staatengemeinschaft fürchtet Myanmar keine internationale Überprüfung.“Sie lud ausländische Diplomaten ein, die Unruheprovinz Rakhine zu besuchen. Suu Kyi zufolge gab es dort seit dem 5. September auch „keine Säuberungsaktionen“mehr. An dieser Darstellung gibt es große Zweifel. Amnesty International warf Suu Kyi nach der Rede vor, sich der Wirklichkeit immer noch zu verweigern. Sie stecke den „Kopf in den Sand“.
Die neue Krise war am 25. August ausgebrochen, nachdem RohingyaMilizen Polizei- und Militärposten angegriffen hatten. Die Sicherheitskräfte gingen anschließend mit gro- ßer Härte gegen viele muslimische Dörfer vor. Suu Kyi versicherte jedoch, dass die meisten Dörfer von der Gewaltwelle nicht betroffen seien. „Die Mehrheit der Muslime hat sich dem Exodus nicht angeschlossen. Mehr als 50 Prozent der Dörfer sind noch intakt.“
Suu Kyi versprach, Verstöße gegen die Menschenrechte nicht hinzunehmen. Gegen alle, die Menschenrechte verletzten, werde „etwas unternommen“– unabhängig von Religion, ethnischer Herkunft oder politischer Stellung.