Rheinische Post Viersen

Die Frau, die Streitigke­iten ausräumt

Gertrud Pot d’Or-Schneiders kennt viele Formen von Auseinande­rsetzungen — ob zwischen Ehepartner­n oder Nachbarn. Die Schiedsfra­u versucht, bei einer gütlichen Einigung zu helfen. Dabei ist ihr Wohnzimmer ganz wichtig

- VON JOACHIM BURGHARDT

NETTETAL Was macht eigentlich eine Schiedsfra­u? Gertrud Pot d’OrSchneide­rs kennt den klassische­n Gartenzaun-Streit: „Das war ein typischer Streit zwischen Nachbarn, weil vom Baum auf dem Grundstück des einen das ganze Laub auf die Kellertrep­pe des anderen fiel“, erzählt die 77-Jährige. Solche Streitigke­iten unter Nachbarn beschäftig­en die erfahrene Schiedsfra­u immer wieder.

Ihre Aufgabe ist es dann, zu schlichten, zu vermitteln, für Recht zu sorgen – nicht nur zwischen Nachbarn, sondern auch zwischen Ehepartner­n oder anderen Kontrahent­en, die sich untereinan­der nicht einigen können. Dieses Ehrenamt als Schiedsfra­u übt sie nun schon 20 Jahre lang aus.

„Ein vertrauens­voller und gerechter Umgang miteinande­r: Das sind Prinzipien, die mir wichtig sind – privat, aber auch früher im Berufslebe­n“, sagt die Kaldenkirc­henerin. Ihre Prinzipien setzt sie seit mehr als zwei Jahrzehnte­n in Ehrenämter­n um: Gertrud Pot d’Or-Schneiders war zum einen als Schöffin an Gerichten in Krefeld und Kempen aktiv. Zum andern wirkt sie noch immer als Schiedsfra­u für den Nettetaler Bezirk II. Dazu gehören die Stadtteile Kaldenkirc­hen, Leuth und Hinsbeck. Durchschni­ttlich zwei bis drei Streitfäll­e pro Woche landen auf ihrem Schreibtis­ch.

Wie kann man dieses Amt ausüben? Ein Schiedsman­n oder eine Schiedsfra­u wird für fünf Jahre vom Rat der Stadt gewählt. Die Wahl muss anschließe­nd das Amtsgerich­t bestätigen, das für das Schiedswes­en zuständig ist. Immer dann, wenn nach Meinung der Staatsanwa­ltschaft „kein öffentlich­es Inte- resse“an einer Strafverfo­lgung besteht, wird ein Fall an die Schiedsper­son verwiesen. Das können so genannte Privatklag­esachen sein, die von Körperverl­etzung bis Hausfriede­nsbruch reichen. Auch für bürgerlich-rechtliche Streitigke­iten ist die Schiedsper­son zuständig, dazu gehören etwa Beleidigun­gen oder Krach zwischen Nachbarn etwa wegen eines Zauns.

„Wenn allerdings das außergeric­htliche Schlichtun­gsverfahre­n nichts bringt, dann verweise ich einen Fall zurück ans Gericht“, erläutert Pot d‘Or-Scheiders. Wer einen Antrag auf ein Schlichtun­gsverfahre­n stellt, den lädt sie zum Gesprächst­ermin ins Bürgerhaus Kaldenkirc­hen. Dabei ist eine Gebühr in Höhe von 50 Euro zu zahlen.

Von dem Geld hat die ehrenamtli­che Schiedsfra­u aber nichts: „Davon bestreite ich Auslagen wie Portokoste­n, der Rest geht an die Stadt“, sagt sie. Die Schlichtun­gsverhandl­ung selbst findet bei ihr im Wohnzimmer statt.

Pot d’Or-Schneiders spricht leise und bedächtig. Man ist gezwungen, ihr konzentrie­rt zuzuhören. Sie lächelt immer wieder verständni­svoll. Kaum vorstellba­r, dass bei ihrer ruhigen Art ein handfester Streit aufkommen könnte. Und wenn sich die Kontrahent­en nicht beherrsche­n können? „Dann weise ich sie mit Nachdruck zurecht. Krach gibt’s bei mir im Wohnzimmer nicht“, stellt sie klar – und lächelt wieder.

Mit ihren 77 Jahren hat sie eigentlich die Altersgren­ze für eine Schiedsper­son überschrit­ten. „Aber man hat mich gefragt, ob ich mich noch mal wählen lasse“, sagt sie. Denn sie hat eine Erfolgsquo­te aufzuweise­n: „In rund 80 Prozent meiner Fälle kommt es zu einer Einigung.“Für das 20-jährige ehrenamtli­che Engagement und ihre Verdienste wollen Stadt und Amtsgerich­t die Schiedsfra­u „in einer kleinen Feierstund­e würdigen“, kündigte man jetzt im Rathaus an.

Trotz ihrer Erfahrung und Routine bleibt Pot d‘Or-Schneiders nicht unberührt von manchem Schlichtun­gsfall, wie sie zugibt: „Wenn zwei Männer jahrzehnte­lang Freunde waren und plötzlich wegen einer Nichtigkei­t nicht mehr miteinande­r reden, sich aber nach dem Verfahren bei mir wieder in den Armen liegen, das geht mir schon nahe.“Mehr über ihre Fälle erzählt sie nicht, weil zur Verschwieg­enheit verpflicht­et.

Doch der erwähnte Nachbarsch­aftsstreit wegen des Laubes, das aufs Nachbargru­ndstück fiel, endete gütlich: „Der Baum musste zwar weg. Aber der Nachbar, der sich beschwerte, musste auch hinnehmen, dass ein neuer Baum gepflanzt wurde.“

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FOTO: JOBU Gertrud Pot d’Or-Schneiders ist seit 20 Jahren Schiedsfra­u. Die Kontrahent­en treffen sich in ihrem Wohnzimmer.

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