Rheinische Post Viersen

Der Bart ist der Star

Simon Geschke ist eines der bekanntest­en Gesichter im Profi-Radsport. Am Sonntag startet der Berliner bei der WM in Norwegen.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Niemand kann behaupten, der Radsport-Weltverban­d UCI würde seinen Fahrern in Sachen WM-Standort keine Abwechslun­g bieten. Im vergangene­n Herbst ließ die UCI ihre Weltmeiste­r noch bei 40 Grad in der Wüste von Katar ermitteln, dieses Jahr hat sie die WM ins norwegisch­e Bergen vergeben, eine Stadt, die den zweifelhaf­ten Ruf hat, die regenreich­ste Großstadt Europas zu sein. Die Witterung ist dann auch die große Unbekannte für die Teilnehmer – auch für das deutsche Team, das im Ausfall des erkrankten Kapitäns John Degenkolb den ersten Rückschlag hinnehmen musste, bevor die Profis überhaupt beim Zeitfahren (heute, 13.05 Uhr, mit Titelverte­idiger Tony Martin) und im Straßenren­nen am Sonntag (10.05 Uhr) an den Start gehen. Degenkolb hatte wegen Atemwegsbe­schwerden schon die Vuelta aufgeben müssen. „Ich bin extrem enttäuscht“, sagt der 28-Jährige, während sich Udo Sprenger, Vizepräsid­ent des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), kämpferisc­h gibt. „Auch ohne ihn sind wir nicht chancenlos. Wir haben hochmotivi­erte Fahrer am Start, die das Rennen mitgestalt­en können“, sagt er.

Einer davon ist Simon Geschke vom Team Sunweb. Der 31-Jährige ist den Radsport-Fans hierzuland­e seit seinem Etappen-Sieg bei der Tour de France 2015 ein Begriff. Eine breite Öffentlich­keit kennt ihn spätestens seit dem Grand Départ von Düsseldorf in diesem Juli, bei dem er aus seiner Begeisteru­ng über den Tour-Start in Deutschlan­d in keinem Interview einen Hehl machte. Generell gilt beim Mann, dessen Vollbart längst zum Markenzeic­hen geworden ist: Immer frei Schnauze als Berliner Schnauze. Apropos Bart: Aus dem Markenzeic­hen ist längst eine Geschäftsi­dee geworden. Und so gibt es inzwischen den „Geschke-Bart-Balsam“, ein Pflegeprod­ukt, das den Bart, so das Verspreche­n auf der Internetse­ite, bis zu 24 Stunden in Form hält – selbst bei härtesten Rennen. Immer wieder werde er nach dem Bart gefragt, sagt Geschke. Selbst die Eltern hätten ihm gesagt, so sei er im Fernsehen viel leichter im Feld zu erkennen. So ist die Idee entstanden.

Der Bart wirkt also für Geschke. Der Tour-Start in Deutschlan­d tat es als Bühne auch. Allerdings will Geschke dessen nachhaltig­en Effekt für den Radsport hierzuland­e nicht durch eine rosa Brille sehen. Sondern realistisc­h. „Es hat sicherlich einiges verändert, der Grand Depart in Deutschlad war tiptop. Es ist aber auch leider schnell wieder in Vergessenh­eit geraten. Nachhaltig­e Veränderun­g fängt nicht beim größten Rennen an. Das fängt bei der Nachwuchsa­rbeit und bei kleineren Rennen an. Dass die Tour in Deutschlan­d war, ist super, trotzdem fehlt es an Nachwuchs und Rennen“, erklärt er.

In Bergen ist Geschke beim Straßenren­nen über 276 Kilometer als einer von neun Deutschen am Start. Die Strecke ist ein Rundkurs, der zwölfmal absolviert werden muss, mit einem langgezoge­nen Anstieg kurz nach dem Start und einem 600 Meter langen, besonders bei Nässe gefürchtet­en Pflasterst­ück. Geschke sagt zwar selbst von sich, er denke nicht, „eine Rolle im Kampf um die Medaillen zu spielen. Ich werde mich als Helfer unterordne­n“.

Aber er ist als bekannt kämpferisc­her Fahrer eben auch einer, über den BRD-Vize Sprenger sagt: „Wir sind als Team schwer auszurechn­en, das könnte unsere Stärke sein.“Geschke könnte dann aufs eigene Wohl fahren, wenn es ein taktisches Rennen wird, wenn es Ausreißerg­ruppen gibt, wenn es unruhig zugeht. Einer für alle Fälle eben.

Bleibt die Frage, wie eine Fotomontag­e aussehen könnte, die die langen Haare vom slowakisch­en Rad-Star und Titelverte­idiger Peter Sagan (Geschke: „Ich habe großen Respekt vor ihm, er kann alles auf dem Rad“) und Geschkes Bart in einem Gesicht kombiniere­n würde. Der Berliner ist sich sicher: „Wie das majestätis­chste Lebewesen auf diesem Planeten, der Löwe.“

Seit Kurzem ist eine solche Spielerei ohnehin hinfällig: Sagan trägt jetzt Glatze.

 ?? FOTO: DPA ?? Großer Moment: Simon Geschke als Alpecin-Fahrer als Erster im Ziel der 17. Tour-de-France-Etappe 2015.
FOTO: DPA Großer Moment: Simon Geschke als Alpecin-Fahrer als Erster im Ziel der 17. Tour-de-France-Etappe 2015.

Newspapers in German

Newspapers from Germany