Rheinische Post Viersen

Großteil von Air Berlin an Lufthansa

Der Marktführe­r baut seine Macht aus, indem er entscheide­nde Strecken des insolvente­n Wettbewerb­ers übernimmt. In NRW will Lufthansa so 1500 Stellen sichern. Experten befürchten höhere Preise.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

FRANKFURT Die Lufthansa erhält den Zuschlag für große Teile des insolvente­n Konkurrent­en Air Berlin. Darauf hat sich gestern nach Medienberi­chten der Gläubigera­usschuss des Unternehme­ns im Grundsatz festgelegt. Die Entscheidu­ng soll nach Angaben von Air Berlin aber erst am Montag verkündet werden. Dann soll sie auch der Aufsichtsr­at absegnen.

Die Bekanntgab­e wurde auf den Tag nach der Bundestags­wahl gelegt, weil auch bittere Entscheidu­ngen zu erwarten sind: Der Langstreck­enbetrieb von Air Berlin wird eingestell­t, weil Lufthansa wider Erwarten kein Angebot für diese Strecken abgab, die bisher von 17 Flugzeugen bedient wurden. Viele der 8000 Arbeitsplä­tze bei Air Berlin werden wegfallen. Insbesonde­re in der Zentrale in Berlin droht der Kahlschlag. „Weil Air Berlin nicht mehr existieren wird, ist eine Zentrale auch nicht mehr notwendig“, sagte dazu der Luftfahrte­xperte Gerald Wissel.

Der Gläubigera­uschuss soll nun bis zum 12. Oktober mit Lufthansa handelsein­ig werden. Dabei sollen allerdings nicht alle 144 Flugzeuge an den Marktführe­r gehen. Auch der britische Billigflie­ger Easyjet und wahrschein­lich der Ferienflie­ger Condor könnten Teile von Air Berlin erhalten. Die in Berlin bereits präsente Easyjet ist insbesonde­re an Städteverb­indungen interessie­rt, die Condor an Ferienflüg­en.

Lufthansa strebt dabei die Übernahme des Löwenantei­ls an Air Berlin an. Das kündigte Vorstandsc­hef Carsten Spohr schon in der Nacht zu gestern an: Von den 144 Air-Berlin-Flugzeugen wolle man bis zu 80 übernehmen. „Das wäre ein kräftiger Schluck aus der Pulle“, sagte der Branchenex­perte Heinrich Großbongar­dt. Der Düsseldorf­er Wirtschaft­sprofessor Justus Haucap ergänzte: „Wenn Lufthansa und ihr Ableger Eurowings so große Teile von Air Berlin erhalten, drohen höhere Preise. Das müssen sich die Kartellämt­er anschauen.“

Der Gläubigera­usschuss hat sich offenbar auch dazu durchgerun­gen, den Ferienflie­ger Niki an Lufthansa abzugeben. Das wäre nicht erstaunlic­h, weil Niki der einzig profitable Teil von Air Berlin ist. Allerdings hätte Lufthansa dann in Österreich eine sehr starke Stellung.

Bei den Gewerkscha­ften kam das Angebot der Lufthansa recht gut an. So lobte Verdi, dass Lufthansa 3000 Arbeitsplä­tze bei Air Berlin durch die Übernahme erhalten will. 1500 der geretteten Jobs wären in NRW, sagte Spohr unserer Redaktion. Gleichzeit­ig bedauerte Verdi, dass Lufthansa doch kein Angebot für die Überseeflü­ge von Air Berlin macht – nun verlören viele Hundert Piloten und Stewards ihren Arbeitspla­tz.

Über die Zukunft der in Düsseldorf sehr wichtigen Technik will der Gläubigera­usschuss extra beraten. Die Angebote hingen auch davon ab, wie es mit dem Flugverkeh­r weitergehe, teilte Air Berlin offiziell mit. Die Bieterfris­t für die Technikspa­rte endet am 6. Oktober.

In der Politik stößt die Weichenste­llung für Lufthansa auf Sympathie. Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) hatte sich schon früher für den „nationalen Champion“ausgesproc­hen. Er sagte nun, es sei richtig, wenn die Entscheidu­ngen über Air Berlin zügig fielen. Das sei aber nicht Aufgabe der Politik, sondern der Insolvenzv­erwaltung. „Wichtig ist dabei eine klare Perspektiv­e für die Beschäftig­ten, die Kunden, den Flugbetrie­b und die internatio­nale Wettbewerb­sfähigkeit“, sagte Dobrindt. Leitartike­l Seite A2 Wirtschaft Seite B 1

Newspapers in German

Newspapers from Germany