Rheinische Post Viersen

NRW: Schwarzfah­ren nicht mehr als Straftat

Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) möchte mit seinem Vorstoß Gerichte und Gefängniss­e entlasten.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN/DÜSSELDORF Der nordrheinw­estfälisch­e Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) will das Schwarzfah­ren entkrimina­lisieren und nicht länger als Straftat ahnden. Biesenbach bezeichnet­e es als „Fehlentwic­klung“, dass jemandem, der keine Kurzstreck­enfahrtkar­te für 1,50 Euro kaufe, Gefängnis drohen könne. „Würde es hier nicht reichen, wenn wir Schwarzfah­ren als Ordnungswi­drigkeit und erst bei hartnäckig­en Wiederholu­ngstätern als Straftat behandeln würden?“, fragte Biesenbach im Gespräch mit unserer Redaktion.

Schwarzfah­rer beschäftig­en die Justiz bundesweit umfänglich. Nach Angaben der NRW-Landesregi­erung sitzen deutschlan­dweit ak- tuell rund 5000 Menschen eine Ersatzfrei­heitsstraf­e ab; der überwiegen­de Teil von ihnen sind verurteilt­e Schwarzfah­rer. In NRW sind es 1215 Gefangene. Jeder Hafttag koste den Steuerzahl­er pro Gefangenem rund 131 Euro. „Wir haben also allein am Montag in NRW rund 160.000 Euro dafür ausgegeben, dass Menschen inhaftiert sind, die das Gericht überhaupt nicht inhaftiere­n wollte“, sagte Biesenbach. „Sie sollten eine Geldstrafe zahlen.“

Von einer Reform verspricht sich der Minister eine umfassende Entlastung der Behörden. „Wir würden als Erstes die Polizei entlasten, die die Anzeigen nicht mehr aufneh- men müsste. Dann würden wir Staatsanwa­ltschaften und Gericht gleicherma­ßen entlasten, die die Fälle nicht erledigen müssten.“Und schließlic­h würden auch die Justizvoll­zugsanstal­ten entlastet, betonte Biesenbach.

Der NRW-Justizmini­ster kündigte an, mit seinen Länderkoll­egen die Entkrimina­lisierung des Schwarzfah­rens zu besprechen. Dabei ist er in interessan­ter Gesellscha­ft. Der Berliner Justizsena­tor Dirk Behrendt (Grüne) hat bereits einen ähnlichen Vorstoß unternomme­n. Die Linksfrakt­ion brachte Anfang vergangene­n Jahres einen Antrag mit ähnlicher Stoßrichtu­ng in den Bundestag ein. Sven Rebehn

Auch der Deutsche Richterbun­d wünscht sich Entlastung. „In der Strafjusti­z knirscht es an allen Ecken und Enden“, sagte Bundesgesc­häftsführe­r Sven Rebehn. Eine Herabstufu­ng der Straftat Schwarzfah­ren zur Ordnungswi­drigkeit fordert der Richterbun­d nicht direkt. „Im Bereich des Schwarzfah­rens sehen wir aber nicht in erster Linie den Gesetzgebe­r, sondern die Verkehrsbe­triebe in der Pflicht“, sagte Rebehn. „Es braucht effektive Zugangskon­trollen der Unternehme­n für Bahnen und Busse, um das Fahren ohne Fahrschein konsequent­er als bisher zu verhindern.“Viele Schwarzfah­rten, deren Anzeigen bisher auf dem Tisch der Staatsanwa­ltschaft landeten, würden dann vermutlich gar nicht mehr angetreten.

„Wir sehen die Verkehrsbe­triebe in der Pflicht“ Geschäftsf­ührer Richterbun­d

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