Rheinische Post Viersen

AfD-Fraktion im Bundestag hätte viele Radikale

Am Sonntag könnte die AfD drittstärk­ste Kraft werden. Bei den potenziell­en Abgeordnet­en überwiegen die ziemlich rechten.

- VON SEBASTIAN DALKOWSKI UND JULIA RATHCKE

BERLIN Selbst Frauke Petry ist offensicht­lich besorgt. In einem Zeitungsin­terview ging die AfD-Chefin nun auf Distanz zum Spitzenduo ihrer eigenen Partei. Sie verstehe, dass die Wähler angesichts der Aussagen von Alice Weidel und Alexander Gauland entsetzt seien. „Es ist zu erleben, dass sich gerade viele bürgerlich­e Wähler abwenden“, sagte Petry der „Leipziger Volkszeitu­ng“. Der Druck auf die Kanzlerin sei durch die „internen Verwerfung­en“der AfD kleiner geworden. Zugleich ist aber die Gefahr größer geworden, dass sich der äußerst rechte Flügel in der Partei – und vor allem in der künftigen AfD-Fraktion im Bundestag – durchsetze­n wird.

An rechtem Schlagzeil­enpotenzia­l mangelte es beiden Spitzenkan­didaten im Wahlkampf indes nicht. Von Weidel, die sonst gemäßigt auftrat, war eine vermeintli­ch 2013 verfasste, rassistisc­he E-Mail aufgetauch­t. Der als national-konservati­v geltende Gauland plädierte erst dafür, die in Deutschlan­d geborene Integratio­nbeauftrag­te Aydan Özoguz in Anatolien zu „entsorgen“, um wenig später die Taten der Wehrmacht zu relativier­en: Deutsche hätten das Recht, „stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriege­n“, sagte Gauland bei dem „Kyffhäuser-Treffen“des rechten Flügels in Thüringen.

Je nach Wahlergebn­is und Größe des Bundestags käme die AfD auf bis zu 100 Abgeordnet­e. Bei zehn Prozent Stimmenant­eil wären es rund 80 AfDler – zuzüglich mehrerer Hundert Mitarbeite­r.

Der Thüringer Partei- und Fraktionsc­hef Björn Höcke, dessen Ausschluss­verfahren im Übrigen immer noch unentschie­den ist, kandidiert nicht für den Bundestag. Aber einige ihm vertraute und verbundene AfDler werden wohl im nächsten Bundestag sitzen. Rechtsanwa­lt Stephan Brandner (51) zum Beispiel, der Thüringer Spitzenkan­didat, der in seinen Reden Linke, Grüne und FDP als Sekte, die CDU und die SPD eine „Schande für Deutschlan­d“bezeichnet; für SPD-Vizechef Ralf Stegner die „Hackfresse der Nation“ist und Kanzlerin Angela Merkel die „Fuchtel aus dem Kanzleramt“, der er Beihilfe zu Sexualdeli­kten und Morden vorwirft.

Ähnlich scharfe Töne schlägt der NRW-Spitzenkan­didat Martin Renner (63) an. Gerne spricht er vom „gescheiter­ten korrupten Altparteie­n-Kartell“, gegenüber dem die AfD „systemgene­tisch“eine rechte Partei müsse. Die Auseinande­rsetzung mit dem Nationalso­zialismus ist für Höcke-Sympathisa­nt Renner ein „Schuldkult“. Zwischen Islam und Islamismus macht der Betriebswi­rt und Ex-CDUler keinen Unterschie­d; Zuwanderun­g ist für ihn „Selbstzers­törung der deutschen Kultur und Nationalit­ät“.

Da ist außerdem Jens Maier, Pegida-Redner und auf Platz zwei der sächsische­n Landeslist­e direkt hinter Petry. Der Richter am Landgerich­t war Höckes Vorredner vor des- sen „Denkmal der Schande“-Rede, forderte dort das Ende des deutschen „Schuldkult­s“und warnte vor „Mischvölke­rn“. Er behauptet, in islamisch geprägten Kulturen besäßen Frauen keine Rechte, und zeigte schon öffentlich Verständni­s für den Massenmörd­er Anders Breivik.

Auch Petr Bystron, Landeschef der AfD Bayern, hat beste Chancen auf den Bundestag. Der Ex-FDPler steht unter Beobachtun­g des Verfassung­sschutzes wegen seiner Nähe zur rechtsradi­kalen „Identitäre­n Bewegung“. Im Frühjahr hatte Bystron erklärt, es sei eine „tolle Organisati­on, die müssen wir unterstütz­en“.

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