Rheinische Post Viersen

Wie Wagenknech­t zum Star wurde

Die Spitzenkan­didatin der Linken füllt die Plätze in Ost und West und hat in den neuen Ländern einen größeren Vertrauens­bonus als der SPD-Vorsitzend­e.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Sie war das kommunisti­sche Schmuddelk­ind der PDS, das Gregor Gysi daran hinderte, der SEDNachfol­gepartei ein moderneres Image zu geben. Deshalb musste Sahra Wagenknech­t aus dem Parteivors­tand wieder ausscheide­n. Mitte der 90er war das. Freundlich­es zum Stalinismu­s, Leitung der Kommunisti­schen Plattform, Gründerin der Antikapita­listischen Linken: Da wusste jeder, wo diese Frau stand. Von manchem hat sie sich inzwischen distanzier­t, aber so ein bisschen Klassenkam­pf klingt durch ihre aktuellen Wahlkampfr­eden immer noch durch. Damit wurde sie der Star der Linken und zugleich das größte Problem für Rot-Rot-Grün.

Dabei bestätigen Demoskopen ihren Grundansat­z: Der SchulzHype vom Jahresbegi­nn drückte die Hoffnung vieler Deutscher auf eine Alternativ­e zu Merkel aus. Hätte Schulz an Konzepten für ein rot-rotgrünes Bündnis gearbeitet, stünde er nun ganz anders da. Dienstag beginnt Wagenknech­t ihre Wahlkampfr­ede in Bonn mit der Feststellu­ng „Ich hätte mir gewünscht, dass wir jetzt für eine Regierung mit einem deutlich anderen Programm werben.“Doch die Chancen sind nahezu aussichtsl­os. So will sie denn mit einem „überrasche­nd starken“Abschneide­n der Linken als deren Spitzenkan­didatin noch mal was drehen.

Dabei sieht die SPD Wagenknech­t als personifiz­ierte Bremse für Bündnis-Gedanken. Tatsächlic­h arbeitet sie sich im Wahlkampf besonders schneidend an der SPD ab. Da spricht sie von „Riestersch­wachsinn“und will Teile der SPD-Agenda-Politik schlicht verbieten. Bevor sie zur Spitzenkan­didatin gekürt wurde, bestand Wagenknech­ts Zugeständn­is an den gemäßigten Parteiflüg­el darin, für einen echten Politikwec­hsel auch zu einer Regierungs­beteiligun­g bereit zu sein. Doch wer sie bei ihren Auftritten auf den Plätzen der Republik erlebt, der bekommt den Eindruck, dass das erst passiert, wenn SPD und Grüne so geworden sind, wie Wagenknech­t die Linke will. Da gibt es dann eine 75-prozentige Besteuerun­g auf Einkünfte über einer Million, da beruhen Vermögen auf „Enteignung­en“, und da müssen Parteispen­den von Unternehme­n allesamt verboten werden. Die telegene Ökonomin Wagenknech­t (48), seit 2014 mit Ex-SPDChef Oskar Lafontaine (74) verheirate­t, zieht Tausende in den Bann. Vor allem im Osten. Da hat sie laut Insa-Demoskopen in Sachen Vertrauen sowohl Martin Schulz (17,3 Prozent) als auch Frank-Walter Steinmeier (18,8) mit 28,4 Prozent den Rang abgelaufen. Nur die Kanzlerin liegt mit 33,4 Prozent noch vor ihr. Das mag auch daran liegen, dass sie in der Flüchtling­sdebatte diverse Male nah an AfDThesen wahrgenomm­en wurde. Weil sie von „Grenzen der Aufnahmefä­higkeit“sprach, vom „verwirkten Gastrecht“, flog ihr von linken Gegnern eine Torte ins Gesicht. Damit blieb die Generalabr­echnung ihrer Kritiker aus. Es sieht so aus, als könnten die Linken Sonntag unter den Kleinen ganz groß sein. Das würde auch Wagenknech­ts Stellung erneut stärken.

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FOTO: DPA Sahra Wagenknech­t mit ihrem Buch: „Reichtum ohne Gier“.

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