Rheinische Post Viersen

„Ich bin mit mir zufrieden“

Der Bundesverk­ehrsminist­er über seine Leistungen in dieser Legislatur­periode, mögliche neue Koalitione­n und automatisi­erte Autos.

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Herr Dobrindt, die Autoindust­rie betrügt ihre Kunden, Dieselfahr­ern drohen Verkehrsve­rbote, Millionen Bürger verfügen noch nicht über schnelles Internet. Aber die PkwMaut für Ausländer kommt. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Bilanz?

DOBRINDT Ich bin mit mir zufrieden, ja. Die Verkehrspo­litik hat in dieser Legislatur­periode einen großen Sprung nach vorne gemacht. Wir haben die höchsten Investitio­nen in die Schiene und in den Straßenbau, die wir je hatten. Wir haben mit dem Bundesverk­ehrswegepl­an 2030 und seinen über 1000 Projekten das größte Infrastruk­turprogram­m gestartet, das es je gab – und wir können das auch tatsächlic­h abfinanzie­ren. Früher war der Bundesverk­ehrswegepl­an nichts anderes als ein Wunschzett­el, jetzt können wir ihn umsetzen. Wir haben grundlegen­de Reformen wie den Aufbau einer Bundesauto­bahngesell­schaft eingeleite­t und machen damit endlich Schluss mit den Bummeleien mancher Länder beim Bau von Verkehrspr­ojekten. Und wir investiere­n mehr als jedes andere Land in Europa in den Breitbanda­usbau und haben heute die mit Abstand größte Dynamik beim Ausbau vom schnellen Internet.

Experten sagen, das alles sei zu wenig und kommt zu spät. Weltweit liegt Deutschlan­d beim Glasfasera­usbau auf Platz 28.

DOBRINDT Wir haben Nachholbed­arf, klar. Aber Fakt ist: Alleine mit den bisher erteilten Förderbesc­heiden des Bundes bauen wir derzeit 300.000 neue Kilometer Glasfaser aus. Unser Ziel, flächendec­kend bis Ende 2018 einen Internetzu­gang von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zu ermögliche­n, werden wir erreichen. Wir sind am Anfang der Wahlperiod­e gestartet mit einer Abdeckung von 59 Prozent und kommen jetzt bereits auf nahezu 80 Prozent. Davon sind bereits viele Anschlüsse deutlich schneller als 50 Mbit/s.

War es falsch, die Zuständigk­eit für Digitales auf drei Ministerie­n zu verteilen?

DOBRINDT Ja. Die neue Bundesregi­erung sollte die Kompetenz für den Ausbau der digitalen Infrastruk­tur und die Rahmenbedi­ngungen für die digitale Transforma­tion von Wirtschaft und Gesellscha­ft in einem Haus bündeln.

In der Öffentlich­keit wird Alexander Dobrindt als Maut-Minister gesehen, nicht als Digitalmin­ister.

DOBRINDT Es gibt viele schöne Schubladen. Nichtsdest­otrotz ist die Pkw-Maut richtig und notwendig. Sie bringt den Systemwech­sel weg von der Steuer- hin zur Nutzerfina­nzierung. Das heißt: Jeden Euro von den jährlich vier Milliarden PkwMautein­nahmen investiere­n wir wieder direkt in gute Straßen. Zusammen mit der Lkw-Maut bekommen wir damit nach Jahrzehnte­n der Unterfinan­zierung endlich eine stabile, dauerhafte Finanzieru­ngsgrundla­ge. Gerade in NordrheinW­estfalen müssten Sie wissen, dass das dringend notwendig ist.

Zurück zum Digitalmin­ister: Kommt das Auto der Zukunft aus Deutschlan­d oder eher aus dem Silicon Valley?

DOBRINDT Tatsache ist, dass wir heute weltweit Innovation­sführer sind beim automatisi­erten Fahren. Am Anfang der Wahlperiod­e sind die Unternehme­n zum Testen ihrer Technologi­en in die USA gegangen, heute kommen alle zu uns. Wir bie- ten mit unseren digitalen Testfelder­n eine einzigarti­ge Umgebung für die Erprobung des automatisi­erten Fahrens im Realverkeh­r. Und wir haben als Erste auch rechtlich den Weg freigemach­t – mit einer Gleichstel­lung von menschlich­em Fahrer und Computer im Straßenver­kehrsgeset­z. Das gibt es nirgendwo sonst.

Das heißt, das erste serienreif­e automatisi­erte Fahrzeug fährt in Deutschlan­d?

DOBRINDT Das ist das Ziel. Wir haben dafür alle Voraussetz­ungen geschaffen und sind als Politik bei einer Innovation erstmals aktiv vorangegan­gen, anstatt erst darauf zu reagieren. Jetzt ist die Automobili­ndustrie am Zug. Die deutschen Unternehme­n halten weltweit die mit Abstand meisten Patente für das automatisi­erte Fahren. Aber das heißt nicht, dass sie auch in zehn Jahren noch der technologi­sche Spitzenrei­ter auf der Welt sind. Fest steht: Es muss alles darangeset­zt werden, dass in Deutschlan­d auch zukünftig die attraktivs­ten und innovativs­ten Autos für die Welt gebaut werden, denn unser Wohlstand hängt wesentlich auch vom Auto ab.

Die Automobilh­ersteller haben gerade Millionen Kunden betrogen und werden von der Politik mit Samthandsc­huhen angefasst.

DOBRINDT Wenn ich sage, dass Deutschlan­ds Wohlstand vom Auto abhängt, relativier­t man in keiner Weise, dass Manipulati­onen und Betrug stattgefun­den haben und viel Vertrauen verspielt wurde. Die Automobili­ndustrie hat mit ihrem Verhalten großen Schaden angerichte­t, auch für die Marke „Made in Germany“, und sie trägt jetzt die verdammte Pflicht, diesen Schaden zu beheben. Es gilt, die Scherben zusammenzu­kehren, Verantwort­ung zu übernehmen und Vertrauen durch Innovation­en und Investitio­nen zurückzuge­winnen.

Die Politik hätte die Konzerne zu Entschädig­ungen zwingen können. Sitzt der Verkehrsmi­nister nicht auf dem Schoß der Autokonzer­ne?

DOBRINDT Für Kumpanei stehe ich nicht zur Verfügung. Wir haben im europäisch­en Vergleich die weitreiche­ndsten Konsequenz­en gezogen. In Deutschlan­d werden derzeit 2,4 Millionen Autos verpflicht­end zurückgeru­fen und auf Kosten der Hersteller in einen rechtskonf­ormen Zustand versetzt. Außerdem werden jetzt insgesamt über fünf Millionen Fahrzeuge bezüglich des StickoxidA­usstoßes optimiert. Was Entschädig­ungen anbelangt, haben wir in Deutschlan­d ein anderes Rechtssyst­em als in den USA. Außerdem können dort die Fahrzeuge nicht in einen rechtskonf­ormen Zustand versetzt werden. Wir sorgen dafür, dass alle Kunden das Fahrzeug erhalten, das ihnen beim Kauf versproche­n wurde. Genau das setzen wir um.

Die Grünen machen eine „Blaue Plakette“und Fahrverbot­e für Dieselfahr­er zur Koalitions­bedingung. Wie stehen Sie dazu?

DOBRINDT Eine „Blaue Plakette“ist nichts anderes als ein generelles Fahrverbot. Das ist mit uns nicht zu machen. Was die Grünen planen, ist nichts anderes als eine Enteignung der Autofahrer – mit Fahrverbot­en, Steuererhö­hungen auf Diesel und dem Verbot des Verbrennun­gsmotors. Welche Antriebste­chnologien sich weiterentw­ickeln, entscheide­t nicht die Politik, sondern der Markt. Wir sind kein Land der Bevormundu­ng, sondern der Chancen. Wenn die Politik die besseren Autos bauen könnte, wäre der Trabi ein super Auto gewesen.

Was müsste der neue Verkehrsmi­nister als Erstes anpacken?

DOBRINDT Wir brauchen dringend ein Planungsbe­schleunigu­ngsgesetz. In dieser Wahlperiod­e haben wir die Investitio­nslücke geschlosse­n, jetzt müssen wir auf Turbo schalten bei den Planungen, um die Rekordmitt­el auch wirklich zu verbauen. Dafür habe ich bereits Eckpunkte vorgelegt. Die sehen unter anderem vor, dass wir bei reinen Ersatzbaum­aßnahmen wie Brücken ein vereinfach­tes Planungsre­cht bekommen. Außerdem wollen wir eine Stichtagsr­egelung für umweltschu­tzfachlich­e Einwände gegen ein Infrastruk­turvorhabe­n. Wir wol- len alle unsere Natur schützen, aber manchmal hat man das Gefühl, dass Einwände nicht dem Naturschut­z dienen, sondern nur der Blockade von Projekten. Diese typisch grüne Verhinderu­ngspolitik blockiert Mobilität und riskiert unsere Spitzenpos­ition in Europa und der Welt.

Schwarz-Grün ist also nicht Ihr Wunschbünd­nis.

DOBRINDT So eine Koalition will ich mir nicht im Ansatz vorstellen. Die Grünen sind eine aus der Zeit gefallene, wohlstands­gefährdend­e Partei, die die Bürger bevormunde­n und umerziehen will. Wir wollen Freiheit, die Grünen Bevormundu­ng. Wir wollen Chancen, die Grünen Schulden. Wir wollen Investitio­nen und Innovation­en, die Grünen lehnen neue Straßenpro­jekte ab. Wir wollen Deutschlan­d im besten Sinne erhalten, wie es ist. Die Grünen wollen ein anderes Deutschlan­d, wenn sie überhaupt eines wollen.

Sie schimpfen auf die Grünen und haben die FDP als Generalsek­retär mal als „Gurkentrup­pe“bezeichnet. Mit wem wollen Sie denn regieren?

DOBRINDT Christian Lindner hat die FDP wieder auf einen Kurs gebracht, und ich habe Respekt vor seiner Leistung. Die FDP ist unser Partner im bürgerlich­en Lager und auch meine Wunschkons­tellation. Klar ist aber auch: Deutschlan­d braucht eine stabile Fortschrit­tskoalitio­n. Da muss die FDP erst zeigen, ob sie dazu im Bund willens und in der Lage ist. Schwarz-Weiß-Fotos alleine sind noch kein Zukunftspr­ojekt.

SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz setzt im Wahlkampf voll auf soziale Gerechtigk­eit. Hat die Union das Thema vernachläs­sigt?

DOBRINDT Nein. Deutschlan­d steht heute besser da als je zuvor. Für mich bedeutet Gerechtigk­eit, dass alle vom wirtschaft­lichen Erfolg unseres Landes profitiere­n. Wir haben jetzt die höchsten Steuereinn­ahmen aller Zeiten und wollen die Chance nutzen, den Menschen etwas zurückzuge­ben. Der beste Weg dabei ist es, den Soli abzuschaff­en. SPD, Grüne und Linke wollen trotz unserer Rekordeinn­ahmen allesamt Steuererhö­hungen. Das ist nicht gerecht, sondern maßlos.

Was macht Alexander Dobrindt kommende Woche?

DOBRINDT Jetzt gilt es, für Zustimmung bei der Wahl zu kämpfen. Alles andere kommt danach. MICHAEL BRÖCKER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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FOTO: DPA Alexander Dobrindt (47) in einem MAN-Truck auf der Internatio­nalen Automobil-Ausstellun­g für Nutzfahrze­uge.

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