Rheinische Post Viersen

Der Maler unter den Fotografen

Axel Hütte gehört zu den ersten Schülern von Bernd und Hilla Becher. Jetzt sind 70 großformat­ige Bilder seines aufregende­n Werkes im Düsseldorf­er Museum Kunstpalas­t zu sehen.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Man muss sich Axel Hütte als einen Wanderer vorstellen. Wie er die Wildnis Südamerika­s durchstrei­ft, in San Francisco und Toronto unterwegs ist, wie er Japan und Afrika bereist und sich in die Antarktis vorwagt. Immer auf der Suche nach der besonderen Struktur, dem unwiederbr­inglichen Lichteffek­t, mit dem die Welt etwas von sich zu verraten und preiszugeb­en scheint. So einer ist Axel Hütte, der Fotograf, der alle Kontinente schon auf seine Weise erkundet hat. Dass er gelegentli­ch mit Alexander von Humboldt verglichen wird, ist zwar nicht ganz richtig, klingt aber nett und ist einprägsam. Mit 70 großformat­igen Arbeiten wird das „interkonti­nentale“Werk Axel Hüttes jetzt im Düsseldorf­er Museum Kunstplast gezeigt.

Der Fotograf als Welterkund­er – das klingt etwas zu pathetisch, auf jeden Fall viel zu leichtfüßi­g. Tatsächlic­h muss Hütte seine 40 Kilogramm schwere Ausrüstung samt Plattenkam­era mitschlepp­en; und dafür ist immer schon ein Team vonnöten. Und eine Erfolgsgar­antie gibt’s auch nicht. Es kommt nämlich vor, dass die „Beute“einer mehrwöchig­en Reise ein einziges Bild sein kann. Das liegt daran, dass Hütte nie als Tourist unterwegs und auf der Suche nach Motiven ist. Er will immer nur festhalten, was in der Welt steckt, wenn sie sich versteckt.

Das ist ein fast philosophi­scher Ansatz. Und tatsächlic­h erfasst den Betrachter mitunter eine gewisse Unruhe vor manchen Großformat­en: wie den Nebelwälde­rn im südamerika­nischen Belize und auf Borneo oder dem Nebelfluss im Rheingau. Immer sehen wir genug, um den Ort erkennen zu können, doch es bleibt stets zu wenig, um das Gesehene zu verstehen. Axel Hütte ist kein Verrätsler; er gibt uns Ausschnitt­e, Vordergrün­de, Schemen. Die aber bleiben authentisc­h, sind nicht digital nachbearbe­itet.

Dass dieser Zugang für Axel Hütte trotz wechselnde­r Blickricht­ung – mal Natur, mal Architektu­r und Städte – eine Grundhaltu­ng ist, zeigen das älteste und das jüngste Bild der Ausstellun­g: Aus 1994 stammt der „Furkablick“in der Schweiz mit angeschnit­tener Hausfassad­e und endlosem Nebelmeer. In diesem Jahr entstanden die blau-nebligen Antarktisb­ilder, die auch in Hüttes Entwicklun­g aufregend sind: Eisiges Land ist kaum mehr als ein Streifen am Bildrand. Der große Rest ist grau bewegter Himmel, das Unfassbare schlechthi­n. Wie Gemälde wirken manche Fotos, und der Vergleich mit Arbeiten von Caspar David Friedrich (1774-1840) ist wenigstens eine inspiriere­nde Pointe.

Man könnte den mickrigen Landanteil auf den Antarktis-Bildern auch als das Schwinden des Eises deuten. Das wäre dann fotografis­che Propaganda. Hütte dagegen gibt dem Geheimnis einen größeren Raum. „Ich entleere meine Bilder komplett, damit sich der Betrachter darin verlieren kann“, sagt der 1951 in Essen Geborene, der noch so fit aussieht, dass man sich um weitere fotografis­che Welttouren kaum Sorgen machen muss.

Gleichwohl Axel Hütte zu den Großen der Düsseldorf­er Fotoschule gehört, fand er keine Aufnahme im Struffsky-Triumvirat – Thomas Struth, Thomas Ruff und Andreas Gursky. Das ist weder der Lautmalere­i geschuldet noch dem Umstand, dass Hütte zu den ersten Schülern von Hilla und Bernd Becher zählt. Axel Hütte hat von Beginn an eigene Zugänge erkundet und auf diese Weise eine Sonderposi­tion eingenomme­n, die er mit jedem Bild erneuert.

Wie aufregend erfahrbar ist das in der Ausstellun­g, die keineswegs homogen ist und deren verbindend­e Handschrif­t der Versuch wird, uns einer scheinbar vertrauten Welt wieder zu entfremden.

Wunderlich geht es da in den Bildern jener Urwälder zu, die Hütte früher ziemlich desillusio­nierend als „sterbensla­ngweilig“und „Gestrüpp“bezeichnet hat. Axel Hütte aber diente das Pflanzen-Wirrwarr dazu, aus dem Raum eine Fläche zu machen. Es ist nahezu unmöglich, in den Bildern aus Brasilien, Venezuela und den USA eine Tiefe auszumache­n, eine hintere Ebene, eine Andeutung von Körperlich­keit. Vor uns nichts als Fläche, nichts als Vordergrun­d. Unser Wunsch, einzudring­en in diesen Wald, bleibt unerfüllt. Das platte Abbild macht ratlos und hilflos.

Es gehört zu den Wahrzeiche­n der Düsseldorf­er Schule, dass ihre Bilder zumeist menschenle­er sind. Bei manchen ist es auffällig; bei Axel Hütte aber wäre jeder Mensch geradezu störend. Es gibt gelegentli­ch Spuren von zivilisato­rischem Geba- ren, wie die sehr kleine Ufermarkie­rung in der Serie der nebulösen Rheingau-Fotos. Das aber ist allenfalls eine Lappalie am Bilderrand.

Für die Erstarrung der Welt hat Axel Hütte die Bewegung nötig, das Reisen, mit dem die eigene Perspektiv­e in Frage gestellt und der neue Blick zur Aufgabe wird. Axel Hütte ist mit seiner Kamera wie ein rastloser Forschungs­reisender, dem der Forschungs­auftrag abhanden gekommen ist.

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FOTO: AXEL HÜTTE „Cayo-1, Belize“(2007); Ditone Print, 225 mal 155 Zentimeter; Kunstsamml­ung NordrheinW­estfalen

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