Rheinische Post Viersen

Willy Brandt verliert die Vertrauens­frage

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Erst vor einigen Monaten war das konstrukti­ve Misstrauen­svotum gegen Willy Brandt gescheiter­t. Rainer Barzel (CDU) hätte im April 1972 Kanzler werden können, zwei Stimmen hatten zum Sturz Brandts gefehlt. Nun stellte der amtierende Bundeskanz­ler selbst die Vertrauens­frage. Es war das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepu­blik, dass ein Regierungs­chef diesen Weg ging. Am 22. September 1972 stimmten die Abgeordnet­en des Bundestags ab. Das Ergebnis war nicht überrasche­nd: Brandt verlor die Vertrauens­frage – genau so, wie er es geplant hatte. Brandt hoffte, bei Neuwahlen die Zustimmung der Bevölkerun­g zu der Politik zu bekommen, die die Regierung ins Wanken gebracht hatte. Die neue Ostpolitik der soziallibe­ralen Regierungs­koalition hatte zu Spannungen im Bundestag geführt. Mehrere Parlamenta­rier waren von FDP und SPD zum Lager von CDU und CSU gewechselt. Die Mehrheitsv­erhältniss­e im Bundestag hatten sich geändert, Opposition und Regierung hatten beinahe gleich viele Sitze. Nachdem Brandt das Vertrauen nicht ausgesproc­hen wurde, löste er den Bundestag auf, Neuwahlen wurden für November angesetzt. Bei einer Wahlbeteil­igung von mehr als 90 Prozent erzielte die SPD mit 45,8 Prozent ihr bestes Ergebnis bei einer Bundestags­wahl. Auch die FDP ging gestärkt aus den Wahlen hervor. Die Regierung konnte ihre Politik fortsetzen.

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