Rheinische Post Viersen

Das Fußball-Märchen von Huddersfie­ld

Der deutsche Trainer David Wagner hat sein Außenseite­r-Team mit Erfolg in der Premier League etabliert.

- VON HEIKO OLDÖRP

HUDDERSFIE­LD Die Fans von Huddersfie­ld Town sind besorgt. „Ich befürchte, dass irgendwer in Deutschlan­d Christophe­r Schindler, Michael Hefele, Chris Löwe oder David Wagner sieht und denkt: vielleicht ist es Zeit, sie zurückzuho­len”, sagt Andrew Hamson. Sein Kumpel Nicolas Wilson nickt zustimmend.

Beide sind Huddersfie­ld-Anhänger seit ihrer Kindheit. Und wer sich in England für die „Terrier” aus der 150.000-Einwohner-Stadt zwischen Leeds und Manchester entscheide­t, führt ein Leben voller Leiden. Der kennt die Niederunge­n des Fußballs und sieht die Premier League nur im Fernsehen. Bislang zumindest.

Doch nun ist alles anders in Huddersfie­ld. 2017 ist das Jahr der Glücksgefü­hle, der Gänsehaut, der Erfolgsträ­nen. Und das Jahr der „Wagner-Revolution”. Erstmals seit 45 Jahren ist der Klub wieder erstklassi­g. Erstmals spielen die kleinen Terrier in der Premier League – gegen die „Big Dogs”, die ganz großen Hunde. Ermöglicht hat dieses Fußballmär­chen mitten in England ein Deutscher – David Wagner.

Der gebürtige Frankfurte­r hatte als Spieler eine mittelmäßi­ge Karriere. Zwar gewann er 1997 mit Schalke 04 den Uefa-Cup, stürmte das Gros seiner Laufbahn jedoch in der Zweiten Liga – unter anderem für Mainz 05. Aus dieser Zeit resultiert bis heute eine enge Freundscha­ft mit Jürgen Klopp, dessen Trauzeuge Wagner ist.

In Huddersfie­ld übernahm er im Herbst 2015 den Trainerpos­ten. Es war seine erste Station als Chefcoach. Und es war vor allem „ein Himmelfahr­tskommando”, sagt Wagner. Huddersfie­ld stand in der zweiten Liga, der Championsh­ip, zwei Punkte vor einem Abstiegspl­atz. Wagner verlor die ersten beiden Partien, und Town rutschte weiter ab. Dass der Verein 18 Monate später trotz des geringsten Etats der Liga in die Premier League aufstieg, gilt als eine der größten Sensatione­n in der Geschichte des englischen Fußballs. Und dass im Stadtzentr­um von Huddersfie­ld sowie im heimischen John Smith’s Stadium deutsche Fahnen wehen, liegt neben Wagner an den zahlreiche­n weiteren „Germans” im Team. In Christophe­r Schindler, Chris Löwe, Michael Hefele, Danny Williams, Collin Quaner, Abdelhamid Sabiri und Elias Kachunga stehen sieben deutsche oder deutschspr­achige Profis im Kader. Sie alle haben nur wenige oder gar keine Bundesliga­erfahrung – in Huddersfie­ld dennoch ihr sportliche­s Glück gefunden. Verteidige­r Hefele beispielsw­eise, der für Greuther Fürth einige Bundesliga­spiele absolviert­e, wird von den Fans am lautesten besungen. Und Schindlers Name ist seit dem 29. Mai auf Ewigkeiten mit dem Verein verbunden. Da sorgte der ehemalige Kapitän von 1860 München im Elfmetersc­hießen des Aufstiegss­piels gegen den FC Reading als fünfter Schütze für die Entscheidu­ng. „Es war das Größte, was ich bislang erlebt habe”, erklärt er.

Als sein Berater ihm im Sommer 2016 von einem Angebot aus Huddersfie­ld erzählte, habe er erstmal googeln müssen, in welchem Land und in welcher Liga der Verein spiele, sagt Schindler. Chris Löwe wusste zwar, dass Huddersfie­ld in England liegt, erlebte bei seinem Wechsel vom 1. FC Kaiserslau­tern vor einem Jahr dennoch „einen Kultur- schock“. In der Kabine sah es aus „wie in Deutschlan­d in der achten Liga”, sagt Löwe.

Wagner hat den Verein nicht nur sportlich auf Erstliga-Niveau getrimmt, sondern auch für profession­elle Rahmenbedi­ngungen gesorgt. Die Kabine wurde modernisie­rt, Kantine und Aufenthalt­sräume entstehen. Und in der Meistersch­aft läuft’s. Huddersfie­ld ist trotz des kleinsten Etats Sechster – noch vor Liverpool und dem FC Arsenal. Wagner wurde zum „Trainer des Monats” August gewählt. Seine Revolution geht weiter. Mit ihr steigt die leise Angst der Fans vor einem möglichen Abschied der deutschen Helden.

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FOTO: DPA Stolzer Aufsteiger: Huddersfie­lds Trainer David Wagner mit der Trophäe für den Sieg im Relegation­sspiel.

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