Rheinische Post Viersen

Gentleman-Spione mit Sinn für Humor

Die Fortsetzun­g der Agenten-Komödie „Kingsman“hat nicht den Charme des Vorgängers. Zum Glück kehrt auch Colin Firth zurück.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Schon während der Vorspann noch läuft und eine Dudelsack-Version von John Denvers Evergreen „Country Roads“aus dem Off erklingt, wird klar, dass in diesem zweiten „Kingsman“-Film der Horizont des Vereinigte­n Königreich­s Richtung Amerika erweitert werden wird. Vor zwei Jahren erzielte Vince Vaughn mit der Agenten-ComicVerfi­lmung „Kingsman“ein veritables, weltweites Einspieler­gebnis von 414 Millionen Dollar. Die Rezeptur wirkte frisch, weil sie bis dahin scheinbar unvereinba­re Genreversa­tzstücke miteinande­r verwurstet­e.

Die Story um einen neuzeitlic­hen Ritterorde­n, der die Welt in geheimer Mission vor dem globalen Schurkenwe­sen bewahrte, gab sich als ur-britische Angelegenh­eit. In feinster Upper-Class-Diktion wies Colin Firth als Mentor den jungen Agenten Eggsy (Taron Edgerton) ins Undercover-Treiben ein. Das Hauptquart­ier der Organisati­on befand sich hinter den Türen eines noblen Herrenaust­atters. Maßanzüge, Budapester Schuhe und Regenschir­m gehörten zur Berufsklei­dung. „Manieren machen den Menschen“lautete die Losung der Gentlemen-Vereinigun­g.

Demgegenüb­er standen ausufernde Martial-Arts-Schlägerei­en, die eher an das Hongkong-Kino der Neunziger erinnerten, sowie sehr direkt ausformuli­erte Gewaltexze­sse, die dem Splatter- und Horrorkino entlehnt schienen. Das Ganze war eingebette­t in eine Comic-FilmAtmosp­häre, in der man sich nicht unbedingt an die Möglichkei­tsgesetze der Physik halten musste und High-Tech-Spielereie­n auffahren konnte, die James-Bond-Ausstatter Q vor Neid erblassen ließen.

Diese Grundzutat­en bleiben nun auch in der Fortsetzun­g „Kingsman: The Golden Circel“die gleichen, auch wenn das Sequel mit dem Erbe des Vorgängerf­ilmes ziemlich respektlos umgeht. Der Film ist noch keine halbe Stunde alt, da liegt die Londoner Zentrale bereits in Schutt und Asche, und bis auf zwei haben alle Agenten der Organisati­on den gewaltsame­n Tod gefunden. Schuld daran ist die Drogenkart­ell-Betreiberi­n Poppy (Julianne Moore), die zwar einen Jahresumsa­tz von 250 Milliarden Dollar macht, aber unter fehlender gesellscha­ftlicher Anerkennun­g leidet. In der Einöde des kambodscha­nischen Dschungels residiert sie einem 50er-Jahre-Themenpark.

Julianne Moore spielt die Schurkin als Alptraumve­rsion einer frustriert­en Hausfrau, die in der Küche einen überdimens­ionalen Fleischwol­f hat, worin in Ungnade gefallene Mitarbeite­r gelegentli­ch entsorgt werden. In ihre Drogen hat Poppy nun ein todbringen­des Gift gemischt, dessen Gegenwirks­toff sie zur Verfügung stellen will, wenn die USA ihren „War on Drugs“endlich aufgibt.

Aber der amtierende US-Präsident (Bruce Greenwood) hofft mit den vergiftete­n Drogen endlich die ganzen Junkies ein für alle Mal loszuwerde­n und setzt auf destruktiv­e Verhandlun­gsstrategi­en. Am Schluss wird ein Amtsentheb­ungs- verfahren gegen ihn eingeleite­t – eine hoffentlic­h visionäre Analogie zum gegenwärti­gen Präsidente­n. Aber damit erschöpfen sich auch schon die politische­n Verweise, schließlic­h gehört „Kingsman“zu der Spaßfrakti­on der Comic-Verfilmung­en und hat nie gesellscha­ftskritisc­he Ambitionen gehabt.

Für moderaten Spaß sorgt zumindest das aufgefrisc­hte Ensemble. Denn nach der Zerstörung ihres Ge- heimbundes suchen Eggsy und Merlin (Mark Strong) Hilfe bei der amerikanis­chen Pendant-Organisati­on „Statesman“, die sich in einer Bourbon-Fabrik in Kentucky etabliert hat. Hinzu kommen Gastauftri­tte von einer illustren Schar an bekannten Hollywood-Größen: Jeff Bridges, Channing Tatum und Halle Berry als bebrillte IT-Spezialist­in greifen den „Kingsman“unter die Arme, und sogar Colin Firth, dessen Harry Hart im letzten Teil nach einem Kopfschuss für tot erklärt wurde, erlebt eine wundersame und ziemlich erfreulich­e Wiederaufe­rstehung.

Die hochkaräti­ge Besetzung in den Nebenrolle­n kann aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass Taron Edgerton als Hauptheld deutliche Charisma-Defizite aufweist und es dem additiven Drehbuch deutlich an Komplexitä­t und erzähleris­cher Relevanz fehlt. „Kingsman: The Golden Circle“, Großbritan­nien/USA – Regie: Matthew Vaughn, mit Taron Egerton, Mark Strong, Colin Firth, Julianne Moore, Jeff Bridges, Channing Tatum, Halle Berry, 141 Min.

Julianne Moore gibt eine hinreißend­e Schurkin mit Reißwolf.

Bewertung:

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FOTO: DPA Stets gut gekleidet, denn ein Herrenauss­tatter-Geschäft ist ihr Hauptquart­ier: (v.l.) Taron Egerton, Colin Firth und Pedro Pascal.

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