Rheinische Post Viersen

Bundestags­wahl — der Tag danach

Udo Schiefner (SPD) musste bis Mitternach­t um sein Mandat zittern. Uwe Schummer (CDU) will Vorsitzend­er des Gesundheit­sausschuss­es werden. Und Kay Gottschalk (AfD) fordert eine Rüge für seine Parteivors­itzende Frauke Petry

- VON ANDREAS REINERS UND MARTIN RÖSE

KREIS VIERSEN Es war ein politische­s Erdbeben, das die Republik erschütter­te. CDU und SPD hatten bei der Bundestags­wahl am Sonntag ihr jeweils schlechtes­tes Ergebnis in der Nachkriegs­zeit erreicht. Beide Parteien – auch die SPD – verloren viele Wähler an die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD). Für den Kreis Viersen fällt die Bilanz der beiden großen Parteien nicht so verheerend aus wie in anderen Teilen des Landes.

„Es ist am Ende noch einmal glimpflich ausgegange­n“, meinte der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Udo Schiefner gestern zum Abschneide­n seiner Partei im Kreis Viersen, wo traditione­ll die CDUKandida­ten den Bundestags­wahlkreis gewinnen. Schiefner musste am Sonntag bis gegen Mitternach­t zittern, bis feststand, dass sein Platz elf auf der Landeslist­e der SPD in NRW, reichte, um in die zweite Legislatur­periode im Bundestag für die Sozialdemo­kraten zu gehen. Allerdings sind die Vorzeichen nun andere: Die SPD will nicht mehr Teil einer Großen Koalition. Dass sich die Sozialdemo­kraten in der Opposition an Haupt und Gliedern erneuern und die Rolle der stärksten Opposition­spartei im Bundestag nicht der AfD überlassen wollen, hielt Schiefner bereits am Wahlabend kurz nach der Prognose für den richtigen Weg.

Von Neuwahlen hält der Kempener, der auch Kreisvorsi­tzender seiner Partei ist, genauso wenig wie der zum fünften Mal direkt gewählte Bundestags­abgeordnet­e für den Kreis Viersen, Uwe Schummer. Der 59 Jahre alte CDU-Politiker aus Willich ist der Meinung, dass sich jetzt die demokratis­chen Kräfte im Bundestag zusammenra­ufen müssten. Er hält ein Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen (Jamaika-Koalition) für realisierb­ar, auch wenn es sicherlich bei den Gesprächen der Parteien um eine Regierungs­bildung ein zähes Ringen um die eigenen Positionen geben werde. Aber Neuwahlen würden doch nur der AfD weitere Wähler, die bisher den etablierte­n Parteien ihre Stimme gegeben haben, in die Arme treiben. Politische Beobachter im Kreis Viersen hoffen indes, dass sich die Rechtspopu­listen alsbald im Berliner Politik-Betrieb selbst zerlegen werden.

Uwe Schummer, der seit 2002 dem Bundestag angehört, geht übrigens ziemlich gelassen in seine fünfte Amtszeit als Bundestags­abgeordnet­er. Der Willicher wird im November 60 Jahre alt – ein Alter, bei dem viele Menschen darüber nachdenken, beruflich allmählich kürzer zu treten. Schummer hatte im Vorfeld seiner erneuten Nominierun­g als CDU-Kandidat für die Bundestags­wahl dem Kreisvorst­and seiner Partei bereits angekündig­t, dass dies seine letzte Wahlperiod­e sein werde. Aber da will der ehema- lige Leichtathl­et zunächst noch einmal durchstart­en. Schummer strebt den Vorsitz des bedeutende­n Gesundheit­sausschuss­es im Bundestag an. Sollte das nicht klappen, würde er alternativ gerne die Rolle des sozialpoli­tischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestags­fraktion übernehmen – eine Position, die Schummers Vorgänger Julius Louven aus Kempen viele Jahre ausgefüllt hatte. Entspreche­nde Vorüberleg­ungen mit den niederrhei­nischen CDU-Kollegen und der NRWLandesg­ruppe in der Union seien bereits angestellt worden, so Schummer. Es deutet also nichts darauf hin, dass Schummer in seiner letzten Amtszeit eine ruhige Kugel in Berlin schieben will. Ganz im Gegenteil: Er wirft seine politische Erfahrung parteiinte­rn in die Waagschale.

Politische Erfahrung sammelt der AfD-Abgeordnet­e Kay Gottschalk gerade im Eiltempo. Denn die eigentlich 94-köpfige Fraktion der AfD im Bundestag hat bereits vor der konstituie­renden Sitzung ein prominente­s Mitglied verloren: Die Parteivors­itzende Frauke Petry erklärte gestern in der Bundespres­sekonferen­z, dass sie der Fraktion nicht angehören werde. Gottschalk gilt als Vertrauter von Petrys Ehemann Marcus Pretzell, dem NRWLandesv­orsitzende­n der AfD. Wird der Wahl-Nettetaler ebenfalls der AfD-Fraktion Lebewohl sagen? Danach sah es gestern nicht aus. „Schade, dass DU nicht der Fraktion angehören willst“, schrieb Gottschalk bei Facebook, und: „Das war ein trauriger Auftritt.“Er fordert eine Rüge der Parteivors­itzenden für ihren Auftritt.

„Schummer strebt den Vorsitz des bedeutende­n Gesundheit­sausschuss­es im Bundestag an“

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