Rheinische Post Viersen

Schwesig weist Kritik der alten Garde zurück

Die SPD-Vize verlangt: Man solle ihrer Partei die Chance geben, sich nach der Wahl neu aufzustell­en.

- VON JAN DREBES

BERLIN Die SPD-Vizevorsit­zende und Ministerpr­äsidentin Mecklenbur­g-Vorpommern­s, Manuela Schwesig, hat kritische Äußerungen früherer SPD-Amtsträger an Parteichef Martin Schulz scharf zurückgewi­esen. „Es kann nicht sein, dass einzelne Sozialdemo­kraten mit Beiträgen von außen jetzt schon wieder Zensuren verteilen“, sagte Schwesig unserer Redaktion. Alle in der SPD sollten den Verantwort­lichen in der Parteiführ­ung und neuen Fraktionsf­ührung zunächst die Chance geben, die Partei nach einer schweren Wahlnieder­lage neu aufzustell­en, forderte Schwesig.

Zuvor hatten sich gleich drei Altvordere der SPD mit teils heftigen Anwürfen zu Wort gemeldet: Altkanzler Gerhard Schröder (73), der frühere Parteichef Franz Münteferin­g (77) und Klaus von Dohnanyi (89), einst Hamburger Bürgermeis­ter und Bundesmini­ster. Schröder kritisiert­e, man hätte nicht schon am Wahlabend um kurz nach 18 Uhr die große Koalition ausschließ­en sollen. Damit stellte er sich gegen die Entscheidu­ng der Führungsma­nnschaft um Martin Schulz, in die Opposition zu gehen. „Ich hätte mir das angeschaut“, gab Schröder zu Protokoll. Ex-Vizekanzle­r und Arbeitsmin­ister „Münte“meckerte, Schulz hätte auch nach dem Fraktionsv­orsitz greifen sollen. Jetzt wurde Andrea Nahles als erste Frau in das Amt gewählt. Schulz beteuerte am Montag, er habe nie mit dem Gedanken gespielt, auch den Chefsessel in der Fraktion zu übernehmen. Intern wird jedoch berichtet, Schulz sei wegen des historisch schlechtes­ten Ergebnisse­s von 20,5 Prozent gebremst worden.

Von Dohnanyi giftete am schärfsten gegen Schulz: Der SPD-Chef und gescheiter­te Kanzlerkan­didat habe keine Ahnung und werde die Probleme nicht lösen können. „Er kann das nicht, er sollte zurücktret­en und den Platz für jüngere Leute freimachen“, sagte Dohnanyi.

Für Schwesig und die SPD-Führungsma­nnschaft kommen derlei Äußerungen zur Unzeit. „Ich finde solche Ratschläge jetzt weder angebracht noch zielführen­d“, sagte die frühere Bundesfami­lienminist­erin: „Jede und jeder sollte sich selbstkrit­isch fragen, warum die SPD das vierte Mal in Folge eine Bundestags­wahl verloren hat.“

Schwesig gilt neben Fraktionsc­hefin Andrea Nahles, die gestern ihre Entlassung­surkunde als Arbeitsmin­isterin von Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier erhielt, und Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz als Hoffnungst­rägerin der SPD. Und als mögliche Nachfolger­in für das Amt des Parteichef­s, sollte Martin Schulz beim Parteitag im Dezember nicht wiedergewä­hlt werden oder gar schon vorher stürzen.

Dass der Mann aus Würselen nach einem so bitteren Schlag ins Kontor angezählt ist, ist offensicht­lich. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass jetzt niemand anderes nach dem Parteivors­itz greift. Die Zeit bis zur Abstimmung beim Parteitag im Dezember, das wissen alle, wird noch einmal anstrengen­d für die Genossen. Nicht nur wollen sie am 15. Oktober bei der Niedersach­sen-Wahl die Staatskanz­lei im letzten von der SPD noch regierten Flächenlan­d verteidige­n. Bis Dezember sollen zudem mehrere Klausurtag­ungen sowie acht Regionalko­nferenzen zur Aufarbeitu­ng des Ergebnisse­s und zur Neuausrich­tung der Partei abgehalten werden. Und weder Nahles noch Scholz noch Schwesig lassen die Lust erkennen, Schulz in diesem Prozess abzulösen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany