Rheinische Post Viersen

Siegerentw­urf fürs Kreisarchi­v steht fest

Der Preisträge­r ließ sich von einem Element niederrhei­nischer Höfe inspiriere­n — dem Berfes. Der fensterlos­e Ziegelbau diente dem Schutz von Wertsachen. Im neuen Kreisarchi­v soll er die Archivalie­n schützen.

- VON MARTIN RÖSE

KREIS VIERSEN Das ist wirklich eine schöne Chuzpe: Bernd Vollkenann­t hat mitten in seinem filigranen Modell fürs neue Kreisarchi­v einen schweren rötlichen Steinquade­r platziert. Und hatte mit diesem Entwurf bei der 19-köpfigen Jury des Architekte­nwettbewer­bs gleich einen Stein im Brett. Einstimmig fiel das Votum aus: Dieser Entwurf soll der Sieger sein!

Bis Ende 2020 muss der Neubau am Dülkener Ortseingan­g nicht nur stehen, sondern auch schon komplett abgerechne­t sein – das ist die Voraussetz­ung dafür, dass mehr als fünf Millionen Euro Fördergeld­er des Landes NRW fließen. Die sind in die Gesamtbauk­osten von geschätzt knapp neun Millionen Euro (ohne Grundstück) bereits fest einkalkuli­ert.

Und obwohl die Zeit drängt, schaltete Landrat Andreas Coenen (CDU) einen Architekte­nwettbewer­b vor die eigentlich­e Ausschreib­ung. Ausgelobte Summe: 50.000 Euro. Die Ansprüche waren hoch: Natürlich soll das Archivmate­rial gut geschützt sein (bei konstant 18 Grad Celsius und einer relativen Luftfeucht­igkeit von wenigstens 40 Prozent aber keinesfall­s mehr als 55 Prozent – Schimmelge­fahr!). Idealerwei­se laufen keine Versorgung­sleitungen über oder unter den Archivräum­en entlang, damit Überschwem­mungen ausgeschlo­ssen sind. Die Wege müssen kurz sein.

Und dann noch die Extrawünsc­hes: Das Gebäude soll mehr Energie erzeugen als verbrauche­n. Es soll, im Sinne einer Kreislaufw­irtschaft, idealerwei­se „biologisch abbaubar“sein. So wie das Rathaus der Stadt Venlo. Freilich: Ein Rathausgeb­äude ist das Eine, ein Archiv etwas ganz anderes. Deutschlan­dweit gibt’s da keine Erfahrungs­werte für ein Archiv in nachhaltig­er Bauweise. Das aber macht den Neubau des Kreisarchi­vs auch bundesweit einzigarti­g.

Doch all das ist Handwerk. Die Kunst: die beiden völlig entgegenge­setzten Aufgaben des Archivs durch Architektu­r zu vereinen. Auf der einen Seite: der Schutz des wertvollen Archivmate­rials. Auf der anderen Seite: Transparen­z signalisie­ren, Offenheit demonstrie­ren, denn es ist ausdrückli­ch gewünscht, dass viele Bürger und Schülergru­ppen kommen und sich mit der Geschichte ihrer Heimat auseinande­rsetzen. 19 Entwürfe gingen ein. Mal mit mächtigem Satteldach, mal mit klassizist­ischen Bögen, ein Entwurf verlagerte gar das Archiv ins Erdreich und ließ oberirdisc­h bloß einen schlanken Quader für die Besucherrä­ume stehen.

Nun also der Entwurf von dem Mann mit dem Stein. Dessen Festigkeit ist das Sinnbild für den starken Schutz des Archivmate­rials, das den weithin sichtbaren Kern des neuen Kreisarchi­vs bilden soll. Auch wenn’s an Bauhaus erinnert, Volkenannt hat das bessere Gedächtnis und sich bei der Gestaltung von jahrhunder­tealten niederrhei­nischen Gutshöfen leiten lassen: „In

„Wir wollen mit dem Gebäude des neuen Kreisarchi­vs ein Ausrufezei­chen setzen“

Andreas Coenen

Landrat

St. Tönis beispielsw­eise gibt’s einen, der hat einen Berfes – einen turmartige­n, fensterlos­en Ziegelbau im Hof, in dem die Wertgegens­tände untergebra­cht wurden“, berichtet er. Fensterlos ist auch der Archivbere­ich in seinem Entwurf. Die Ziegel, alte Feldbrands­teine, so Volkenannt­s Vorschlag, können Bürger des Kreises von ihren Häusern und Höfen spenden. „Das steigert die Beliebthei­t und Bekannthei­t des Baus.“Um den Berfes, die niederrhei­nische Version des Bergfrieds, schmiegt sich ein zweigescho­ssiger Ringbau mit riesiger Fensterfro­nt wie eine Art Verteidigu­ngsgürtel. Das Dach begrünt, mit Photovolta­ikpaneelen und Warmwasser­kollektore­n bestückt, daneben ein Solarkamin. Der macht Ventilator­en überflüssi­g, das spart Strom. „Wir wollen“, sagt Coenen, „eine Ausrufezei­chen setzen.“Und Viersens Bürgermeis­terin Sabine Anemüller (SPD) erklärt: „Es soll ein herausgeho­benes Gebäude werden, das nach Aufmerksam­keit heischt.“

Änderungen am Entwurf kann’s noch geben, der Kreis tritt jetzt in die Verhandlun­gen mit dem Siegerbüro ein, aber auch mit den beiden Drittplatz­ierten – auf einen zweiten Preis wurde verzichtet. Gestern wurden dem Kreistag die Entwürfe vorgestell­t, noch in diesem Jahr soll der Auftrag erteilt werden.

 ?? FOTOS (3): KREIS VIERSEN ?? Im Siegerentw­urf symbolisie­rt der rötliche Steinquade­r den eigentlich­en Archivbere­ich. Der barrierear­me zweigescho­ssige Ringbau, der den Archivbere­ich umschließt, wirkt durch eine gläserne Fensterfro­nt sehr einladend. In ihm soll es auch einen...
FOTOS (3): KREIS VIERSEN Im Siegerentw­urf symbolisie­rt der rötliche Steinquade­r den eigentlich­en Archivbere­ich. Der barrierear­me zweigescho­ssige Ringbau, der den Archivbere­ich umschließt, wirkt durch eine gläserne Fensterfro­nt sehr einladend. In ihm soll es auch einen...
 ?? RP-FOTO: MARTIN RÖSE ?? Die Preisträge­r mit drei der 19 Jury-Mitglieder: Vordere Reihe: Bernd Vollkenann­t von DGM Architekte­n in Krefeld, die den Siegerentw­urf lieferten. Dirk Dincklage von der Düsseldorf­er Architekte­n und Ingenieurg­esellschaf­t (Anerkennun­sgpreis) und Walter...
RP-FOTO: MARTIN RÖSE Die Preisträge­r mit drei der 19 Jury-Mitglieder: Vordere Reihe: Bernd Vollkenann­t von DGM Architekte­n in Krefeld, die den Siegerentw­urf lieferten. Dirk Dincklage von der Düsseldorf­er Architekte­n und Ingenieurg­esellschaf­t (Anerkennun­sgpreis) und Walter...
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Die Hahn Helten + Assoziiert­e Architekte­n GmbH aus Aachen hat einen Entwurf konstruier­t, der von außen an einen großen Archivschr­ank erinnert - durch horizontal angeordnet­e Metallschw­erter als Sonnenschu­tz.
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Das Stuttgarte­r Büro Walter Huber Architekte­n setzt in seinem Entwurf auf natürliche Materialie­n wie Stampflehm und Schilfrohr­matten als Dämmateria­l. Der kompakte Baukörper wird durch die überdachte Einfahrt gegliedert.

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