Rheinische Post Viersen

Jamaika: FDP und Grüne warten auf die Union

Während die kleinen Parteien in den Startlöche­rn für eine Jamaika-Koalition stehen, beginnt in der Union eine Grundsatzd­ebatte.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN FDP und Grünen haben am Wochenende erneut das Signal gesetzt, dass sie bereit sind, eine Jamaika-Koalition zu verhandeln. Damit setzen die möglichen kleinen Regierungs­partner die mit sich selbst beschäftig­te Union unter Druck.

Bei einem kleinen Parteitag der Grünen am Samstag in Berlin bekannte sich sogar der linke Flügel der Partei dazu, mit Liberalen und Union verhandeln zu wollen. „Der Wähler hat uns einen Auftrag gegeben“, sagte Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter. Allerdings gab es auch mahnende Stimmen, nicht „um jeden Preis“in eine Koalition mit dem bisherigen politische­n Gegner zu gehen.

FDP und Grüne wirken ungewohnt einig. Beide Seiten pochen darauf, dass es zunächst jeweils Zweier-Gespräche geben soll. „Wir legen Wert darauf, dass zunächst bilateral gesprochen wird. Also FDP und Union, FDP und Grüne, Union und Grüne“, sagte FDP-Chef Christian Lindner in der „Bild am Sonntag“. In einem davon unabhängig geführten Interview forderte Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt dies fast wortgleich. Zugleich bestreiten beide, dass es schon Vorabsprac­hen gab.

Die Union wirkt derweil sehr schlecht sortiert. Am Wochenende forderten die ostdeutsch­en Ministerpr­äsidenten Stanislaw Tillich (Sachsen) und Reiner Haseloff (SachsenAnh­alt), auf den Erfolg der AfD mit einer Kurskorrek­tur nach rechts zu reagieren. „Wir haben Platz gelassen rechts von der Mitte. Viele unserer Anhänger haben uns nicht mehr für wählbar gehalten“, sagte Tillich der „Funke-Mediengrup­pe“. In Sachsen wurde die AfD mit fast 30 Prozent stärkste Kraft.

Die Auseinande­rsetzung um die Flüchtling­spolitik ist immer noch der Dreh- und Angelpunkt in dem nur mühsamen aus dem öffentlich­en Diskurs ferngehalt­enen Streit zwischen CDU und CSU. Seit dem Wahlabend brodelt es in der Union. Während die CSU offen ankündigte, sich angesichts ihres schlechten Wahlergebn­isses neu aufstellen zu wollen, erklärte Kanzlerin Angela Merkel zunächst: „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen sollen.“

Hinter verschloss­enen Türen setzen die Debatten aber ein. Als Merkel am Montag nach der Bundestags­wahl im Präsidium erklärte, dass sie und CSU-Chef Horst Seehofer den bisherigen Fraktionsc­hef Volker Kauder erneut für den Posten vorschlage­n wollen, fragte Finanzstaa­tssekretär Jens Spahn: „Für wie lange?“Daraufhin soll Kauder ihm vorgeworfe­n haben, Spahn telefonier­e hinter seinem Rücken, um gegen ihn mobil zu machen. Zu hören ist aber auch, dass vielmehr Kanzleramt­sminister Peter Altmaier etliche Abgeordnet­e angerufen und auf die Wahl Kauders eingeschwo­ren haben soll. Am Mittwoch war Kauder dann mit 77 Prozent gewählt worden – das mit Abstand schlechtes­te Ergebnis, das er je hatte.

Am kommenden Sonntag wollen sich die Spitzen von CDU und CSU treffen, um eine gemeinsame Linie für die Koalitions­verhandlun­gen zu finden. Im Mittelpunk­t dürfte dabei erneut die Flüchtling­spolitik stehen. Es gilt als wahrschein­lich, dass sich die CSU von dem Begriff „Obergrenze“wird verabschie­den müssen, da CDU, FDP und Grüne das Asylrecht nicht antasten wollen.

Doch selbst wenn der Union eine Einigung gelingt, sind damit weder in der CDU noch in der CSU die Richtungs- und Personalde­batten been- det. Die Gruppierun­gen in der CDU, die schon länger immer wieder Kritik an Merkels Flüchtling­spolitik geübt haben, drängen auch auf eine personelle Veränderun­g. Aus ihrer Sicht könnte eine zentrale Position für Spahn das Signal setzen, wonach die CDU eine leichte Kurskorrek­tur vornimmt. Nach dieser Theorie könnte Spahn Generalsek­retär oder Minister werden.

Gegen das Amt des Generalsek­retärs spricht, dass Merkel und er kein Vertrauens­verhältnis haben. Im Gegenteil: Seitdem Spahn auf dem Parteitag im vergangene­n Dezember eine Mehrheit für die Abschaffun­g des Doppelpass­es bekommen hat, gilt das Tischtuch als zerschnitt­en. Dabei wäre Spahn eine gute Besetzung für den Job: Zudem liegt ihm die Offensive, und er pflegt gute Kontakte zu Grünen und zu Liberalen.

Selbst wenn es der Union gelingen sollte, sich am kommenden Wochenende harmonisch zu sortieren, stehen einem künftigen Jamaika-Bündnis beinharte Verhandlun­gen bevor. So sendet der neue CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt Signale aus, als wolle er sich ohnehin nicht mit den Grünen an einen Verhandlun­gstisch setzen. „Ich hätte lieber eine bürgerlich­e Mehrheit von Union und FDP gehabt. Jetzt ist uns Tofu in die Fleischsup­pe gefallen.“

Und trotz strategisc­her Einigkeit zwischen FDP und Grünen bleiben die inhaltlich­en Unterschie­de immens. So erklärte Lindner: „Es wäre in Ordnung, wenn ein grüner Finanzmini­ster die Mittelschi­cht entlastet und den Soli abschafft, während ein liberaler Umweltmini­ster eine vernünftig­e Energiepol­itik ohne die ökologisch unwirksame­n und unsozialen Subvention­en macht. Nur sehe ich keinen Grünen, der für diese Politik stehen würde.“Göring-Eckardt sieht genau beim Umwelt- und Klimaschut­z die höchsten Hürden für Jamaika.

 ?? FOTO: REUTERS ?? Schon nach der Bundestags­wahl 2005 gab es Sondierung­sgespräche zwischen Union und Grünen. Die Gemeinsamk­eiten der damaligen Partei-Vorsitzend­en Claudia Roth (l.) und Angela Merkel beschränkt­en sich jedoch auf die Mantelfarb­e.
FOTO: REUTERS Schon nach der Bundestags­wahl 2005 gab es Sondierung­sgespräche zwischen Union und Grünen. Die Gemeinsamk­eiten der damaligen Partei-Vorsitzend­en Claudia Roth (l.) und Angela Merkel beschränkt­en sich jedoch auf die Mantelfarb­e.

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