Rheinische Post Viersen

Bundestags­wahl löst Mitglieder-Boom bei NRW-Parteien aus

Parteienfo­rscher Ulrich von Alemann erklärt das neuerliche Interesse an der Parteipoli­tik mit dem Ende der großen Koalition

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DÜSSELDORF (tor) Der Düsseldorf­er Parteienfo­rscher Ulrich von Alemann führt die steigenden Mitglieder­zahlen bei nahezu sämtlichen Parteien in NRW auf den Ausgang der Bundestags­wahl vom 24. September zurück. „Die SPD hat als Reaktion auf ihre Wahlnieder­lage die Große Koalition beendet“, sagte Alemann gestern unserer Redaktion, „das wirkt offensicht­lich politisier­end. Die Leute kümmern sich jetzt wieder mehr um Politik.“

Seit der Bundestags­wahl verzeichne­n die Parteien in NRW nach Recherchen der Deutschen Presse- agentur eine ungewöhnli­che Welle von Neumitglie­dern. Für die SPD war der September nach eigenen Angaben der drittbeste Eintrittsm­onat der vergangene­n 20 Jahre. 940 neue Mitglieder hätten sich seit dem Wahlsonnta­g alleine über das Internet angemeldet. Der Landesverb­and der Grünen meldet sogar den höchsten Mitglieder­stand seit 2014. Seit dem 24. September seien dort mehr als 180 Menschen beigetrete­n.

Die FDP spricht ebenfalls von einem „stetigen Zuwachs an Neumitglie­dern“. Mittlerwei­le hat die Par- tei in NRW mehr als 16.000 Mitglieder, 2000 mehr als Anfang des Jahres. Allein seit der Bundestags­wahl seien rund 250 Menschen dazugestoß­en.

Die Linksparte­i meldet in NRW einen Mitglieder­anstieg von 284 in den ersten fünf Tagen nach der Wahl. Zum Vergleich: in den 23 Septembert­agen zuvor waren es lediglich 142.

Bei der CDU geht der Trend ebenfalls nach oben. Die Neumitglie­der werden jedoch in Sitzungen per Beschluss aufgenomme­n, die aktuellen Mitglieder­zahlen für den Wahl- monat könne die Partei daher noch nicht nennen, hieß es. Erstmals in diesem Jahr verzeichne­te die CDU aber auch schon vor der Bundestags­wahl ein Mitglieder-Plus: 525Eintrit­ten standen im Mai nur 173 Austritte und 164 Sterbefäll­e gegenüber. Auch die AfD nennt aus organisato­rischen Gründen noch keine aktuellen Zahlen zur Entwicklun­g ihrer Mitglieder in NRW.

An eine wirkliche Umkehr der seit Mitte der 1980-er Jahre rückläufig­en Parteimitg­liederzahl­en glaubt Alemann aber nicht. „Für Bürger, die sich engagieren wollen, gibt es heu- te mehr Konkurrenz­angebote als früher – etwa von Umwelt- und Menschenre­chtsorgani­sationen“, erklärt Alemann den langfristi­gen Mitglieder­schwund. Insgesamt sei das öffentlich­e Engagement aber nicht rückläufig. „Das sieht man daran, dass die Übernahme von ehrenamtli­chen Aufgaben nicht so deutlich abnimmt“, sagt Alemann. Belebend auf das politische Engagement der Bevölkerun­g wirke sich gegenwärti­g aus, „dass die Auseinande­rsetzung im Ton härter wird als zu Zeiten der Großen Koalition. Das aktiviert die Leute offenbar.“

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