Rheinische Post Viersen

Zur Nachahmung empfohlen

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Dass der Videobewei­s mal dazu erdacht worden war, strittigen Szenen in einem Fußballspi­el den Diskussion­sgehalt zu entziehen, entlockt Profis, Fans und Medien heute nur noch ein müdes Schmunzeln. Die Realität zeigt: Es wird nicht weniger, sondern mehr diskutiert. Vor allem über das noch zu zeitintens­ive Prozedere des Videobewei­ses, der das Spiel schon mal für inakzeptab­le drei Minuten unter Vorbehalt stellt. Für eine steigende Akzeptanz des neuen Hilfsmitte­ls braucht es deswegen vor allem zweierlei: Entscheidu­ngen, die via Bildschirm von falsch auf richtig korrigiert werden, und Protagonis­ten, die das Prozedere Videobewei­s in öffentlich­en Statements stärken.

Beides hatte dieser Spieltag zu bieten. So wurden in Wolfsburg und Frankfurt Elfmeterpf­iffe nach Ansicht der TV-Bilder richtigerw­eise in Freistoßen­tscheidung­en umgemodelt. Und in Mönchengla­dbach betrieben Hannovers Sportdirek­tor Horst Heldt und Trainer André Breitenrei­ter die wohl effektivst­e Werbung, die der Videobewei­s bislang erfahren durfte – obwohl der Videobewei­s ihre Niederlage besiegelt hatte. „Der Schiedsric­hter hat alles richtig gemacht. Er hat alle Möglichkei­ten ausgeschöp­ft, er hat sich beraten“, lobte Heldt, nachdem Schiedsric­hter Christian Dingert in der letzten Minute seine Entscheidu­ng auf Elfmeter für Gladbach nach Videoverge­wisserung bestätigt sah. „Fußball soll gerecht sein“, sagte Breitenrei­ter. Es waren bemerkensw­erte Reaktionen, die zur Nachahmung empfohlen seien, will der Videobewei­s eine Zukunft haben.

Denn die Beteiligte­n im Profizirku­s wissen nur zu genau, dass der zweite Blick, richtig angewandt, den Fußball unter dem Strich tatsächlic­h gerechter macht. Und zweitens sind sich Spieler, Trainer und Manager zweifelsoh­ne bewusst, wie sehr sie durch öffentlich­keitswirks­ames Genöle über den Videobewei­s die Kurven noch mehr gegen das technische Hilfsmitte­l aufbringen können – Tenor: „Ihr macht unseren Sport kaputt!“

Dass der Videobewei­s nicht dazu taugt, Diskussion­en zu verhindern, ist übrigens gar nicht schlimm. Schließlic­h will der Fußball ein Sport bleiben, in dem der Mensch und damit Fehler ein Faktor bleiben. Ansonsten wäre es ein Videospiel.

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