Rheinische Post Viersen

Linke und rechte Putin-Freunde

- VON MARTIN BEWERUNGE

Dreieinhal­b Jahre sind vergangen, seit Russland das Völkerrech­t brach und sich die Krim einverleib­te. Seither zeigt sich Wladimir Putin selbst von harten Sanktionen des Westens unbeeindru­ckt. Sie haben den russischen Präsidente­n nicht von machtpolit­ischen Alleingäng­en abgebracht, wie die Interventi­on in Syrien bestätigt. In der Ost-Ukraine schießen noch immer jeden Tag pro-russische Separatist­en mit Waffen, die ihnen Moskau liefert. Im Osten nichts Neues. Dafür tut sich umso mehr im Westen. Auch ohne ein Zeichen russischen Entgegenko­mmens wächst hierzuland­e die Zahl der PutinVerst­eher. Und mit der AfD wird bald eine weitere Fraktion im Bundestag vertreten sein, die den Kreml-Chef kaum als den skrupellos­en Autokraten darstellen dürfte, der er ist.

Pardon für Putin – damit tat sich bisher vor allem die Linke hervor. Der Verzicht auf Verurteilu­ng der Krim-Annexion, die Absage an Sanktionen und die Forderung, die Nato durch ein Bündnis unter Einbeziehu­ng Russlands zu ersetzen, machen deutlich, wie tief die Linke in der Vorgängero­rganisatio­n SED und deren Moskau-Treue wurzelt. Dass ihr dabei der Newcomer vom genau gegenüberl­iegenden Rand des politische­n Spektrums zur Seite springt, erscheint wie ein Witz. Aber AfD-Fraktionsc­hef Alexander Gauland klingt fast wie seine Kollegin von der Linken, Sahra Wagenknech­t, wenn er sagt: „Die Krim kommt nie wieder zur Ukraine zurück. Die Sanktionen bringen nichts.“

Zwar gibt es auch aus Union, SPD und FDP immer wieder Vorstöße für mildere Strafen gegen Russland. Dahinter stehen vor allem wirtschaft­liche Interessen. Niemand verknüpft dies mit einer Lockerung der Westbindun­g Deutschlan­ds. Neben Linken aber sind es vor allem AfD-Anhänger, die zugleich die Nato-Mitgliedsc­haft in Zweifel ziehen. Wohl fanden Anträge, das Bündnis zu verlassen, auf AfD-Parteitage­n bisher keine Mehrheit. Doch sehen nicht wenige in der Präsenz ausländisc­her Truppen im Land eine Einschränk­ung staatliche­r Souveränit­ät.

Die Sympathiew­erte für den russischen Präsidente­n liegen im linken wie im rechten Lager auf fast identisch hohem Niveau: Laut einer Forsa-Umfrage erklären 30 Prozent der AfD-Anhänger und 31 Prozent der Unterstütz­er der Linken, sie vertrauten Putin mehr als Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Bei CDU- und SPD-Sympathisa­nten sagen das drei bzw. vier Prozent, bei den Grünen zwei und bei der FDP sechs Prozent. Schon sieht Gauland Möglichkei­ten der parlamenta­rischen Zusammenar­beit. „Wenn die Linke vernünftig­e Anträge stellt, wie die Aufhebung der Russland-Sanktionen, werden wir diese unterstütz­en.“Dass man in der AfD Bewunderun­g für einen Präsidente­n hegt, der sich als jemand inszeniert, der sein Land im Griff hat, der das traditione­lle Bild der Familie hochhält, Verständni­s für Fremdenfei­ndlichkeit oder Homophobie signalisie­rt, erscheint nachvollzi­ehbar. Putin ist kein Freund offener, westlicher Gesellscha­ften – die AfD erkennbar auch nicht.

Als „christlich­es Bollwerk gegen eine islamische Landnahme“pries Fraktionsc­hef Gauland Russland bei einem Auftritt in Pforzheim. Kein Zufall: Dort leben besonders viele Russlandde­utsche. Unter den mehr als vier Millionen, die ins Land kamen, hatte die CDU stets eine starke Anhängersc­haft. Inzwischen wählen viele AfD. Als Gründe nennt das „Netzwerk der Russlandde­utschen in der AfD“„die Ukraine-Krise, die harte Linie Angela Merkels gegenüber Russland und das Asylchaos“. Da bietet sich die AfD, deren Anhänger zu 78 Prozent Putins Behauptung zustimmen, der Westen behandele Russland so feindselig wie im Kalten Krieg, als neue politische Heimat an.

Im April 2016 reiste der AfD-Europaabge­ordnete und damalige Landesvors­itzende von NRW, Marcus Pretzell, auf die Krim, um dort ein ausgesucht­es Publikum mit seiner Forderung nach sofortiger Beendigung der EU-Sanktionen zu begeistern. Das war aus ukrainisch­er Sicht nicht nur illegal, sondern geschah auch auf Einladung einer russischen Stiftung, die den Trip bezahlte. Auch Gauland, der bestreitet, Gesprächsp­artner in Russland zu haben, ließ sich 2016 von der Stiftung „Sankt Basilius“nach St. Petersburg einladen, die der Putinnahe Unternehme­r Konstantin Malofejew gegründet hatte. Der bezeichnet die AfD als „erste politische Kraft im Land nach dem Krieg, die nicht amerikanis­ch ist“. Gauland traf zudem den rechtsradi­kalen Kreml-Vordenker Alexander Dugin, der sich selbst als antiwestli­chen Ideologen bezeichnet.

Der Westen habe das bei der Wiedervere­inigung gegebene Verspreche­n gebrochen, die Nato nicht nach Osten auszudehne­n, greift Gauland gern ein Argument Putins auf. Auch das ist nicht korrekt. Zwar soll sich der damalige Außenminis­ter Hans-Dietrich Genscher gegenüber dem sowjetisch­en Staatschef Michail Gorbatscho­w unmittelba­r nach dem Mauerfall ähnlich geäußert haben. Doch im entscheide­nden ZweiPlus-Vier-Vertrag findet sich nirgendwo eine derartige Vereinbaru­ng. Wieso auch? Die UdSSR hatte 1975 in der Schlussakt­e von Helsinki die Souveränit­ät von Staaten bei der Regelung ihrer Bündniszug­ehörigkeit anerkannt.

Vereinbart wurden 1990 vielmehr die volle Nato-Zugehörigk­eit Deutschlan­ds und der Abzug der sowjetisch­en Truppen gegen die Zahlung von zwölf Milliarden D-Mark – Geld, das die marode Sowjetunio­n dringend brauchte. Aus Dresden wurde im Februar 1990 ein Oberstleut­nant des KGB abgezogen, den die Geschehnis­se zutiefst verbittert hatten. Seine Name: Wladimir Putin.

Einen Verrat des Westens an Russland hat es nie gegeben, wohl aber einen Verrat Putins an der europäisch­en Friedensor­dnung. Diese Wahrheit im Bundestag zu verteidige­n, wird wichtiger werden.

Die Sympathiew­erte für Putin liegen im linken wie im rechten Lager auf fast identisch hohem Niveau

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