Rheinische Post Viersen

Fast vergessen: der Morgenmant­el

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Wenn es etwas gab, mit dem sich Hugh Hefner, der kürzlich verstorben­e Erfinder des „Playboys“, mindestens so hautnah und häufig umgab wie mit ansehnlich­en Blondinen, so war es sein Morgenmant­el. Jenes modische Accessoire für Herren, das einer untergegan­genen Zeit entstammt, die auch den 91-Jährigen prägte: Der ewig elegante Cary Grant trug Morgenmant­el, Winston Churchill auch. Bis in die 40er Jahre des vergangene­n Jahrhunder­ts war die zeremoniel­le Kleidung des Fernen Ostens, auf die der Morgenmant­el zurückgeht, ein Mode-Hit.

Heute fristet der Morgenmant­el eher ein Schattenda­sein. Im Kleidersch­rank des ein oder anderen Gentleman aber findet er sich noch, und hervorgeho­lt wird er längst nicht nur dann, wenn gerade Personal im Haus ist und man(n) in den Wohnräumen lesend oder frühstücke­nderweise den Tag beginnen möchte, ohne dabei auszusehen, als

Der Morgenmant­el für den Herrn ist ein aussterben­des Utensil. Ein Bademantel hat weniger Stil.

wäre man soeben aus dem Bett gefallen. Mit einem Morgenmant­el kann das nicht passieren, sein Träger wird niemals den Eindruck erwecken, als habe er – um den guten alten Karl Lagerfeld zu zitieren – sein Leben nicht im Griff.

Bei einem Bademantel sieht das schon anders aus, womit wir beim entscheide­nden Unterschie­d wä- ren: Ein Bademantel ist gewisserma­ßen ein Handtuch mit zwei Ärmeln, geeignet, den Schweiß eines Udo Jürgens zu trocknen oder Ketchup vom Körper eines Mannes fernzuhalt­en, der wie Ollie Dittsche in einer Frittenbud­e gestrandet ist.

Ein Morgenmant­el ist da anders gestrickt – nämlich gar nicht, weil er meist aus Seide, Satin oder anderen hochwertig­en Materialie­n besteht. Seine einzige Funktion besteht darin, einen Moment stilvoll und elegant in der Schwebe zu halten, der zu den besten des Tages gehört, weil er nur einem selbst gehört: der Moment, bevor man endgültig in seine Kleider und damit in die Pflichten des Alltags schlüpft. Das muss man nicht mögen. Wissen sollte man es. Wer weiß? Vielleicht kommt die große Zeit des Morgenmant­els irgendwann wieder.

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