Rheinische Post Viersen

Charme und Übermut in der Festhalle

Musiker und Artisten ergeben zusammen die australisc­he Truppe Scotch and Soda. In der Festhalle ließen die Künstler die Atmosphäre des frühen 20. Jahrhunder­ts aufkommen

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

VIERSEN Es ist, als ob die Zuschauer in der Viersener Festhalle einem ganz privaten Feierabend beiwohnen: Da sitzen abends junge Leute zusammen, trinken ein paar Bierchen und fangen zu fortgeschr­ittener Stunde an, Faxen zu machen. Mit den leeren Flaschen, auf denen sie balanciere­n, mit Weinkisten, die zu Kletterpyr­amiden werden, mit einer Fahnenstan­ge, an der sie hinaufklet­tern, mit dem Fahrrad, das sie vorwärts, rückwärts, seitwärts fahren. Zwischendu­rch machen sie Musik, lachen und albern herum. Da wird sich auch schon mal gekebbelt und ein wenig geprügelt – aber rein künstleris­ch, versteht sich.

„Scotch & Soda“waren vorgestern Abend in der fast ausverkauf­ten Festhalle zu Gast und luden ihrerseits die Besucher zu einer Hochzeitsf­eier ein. Auf dieser Feier wirkte alles so leicht, so improvisie­rt, so spontan, schwebend im freien Raum von Zeit zu Zeit – und war natürlich bis ins letzte Füßewackel­n präzise choreograf­iert.

Scotch & Soda bietet, ja was eigentlich: Zirkus? Musik? Akrobatik? Von allem etwas und das auf hoch profession­elle Weise. Die Truppe kommt aus Australien und besteht aus zwei Gruppen: Da ist die „Uncanny Carnival Band“, eine Gruppe von Musikern, die mit Saxofonen, Schlagzeug, Posaunen und Percussion­instrument­en mal fetzig improvisie­ren, mal jazzig, mal leise und Blues-ähnlich aufspielen und die zweite Gruppe – die Zirkusarti­sten, genannt Company 2 – musikalisc­h begleitet. Der Schlagzeug­er ist auch des Jonglieren­s mächtig und tat dies in Viersen mit offenkundi­gem Vergnügen. Zusammen ließen die Musiker und die Darsteller auf der Büh- ne der Festhalle den Charme und Übermut des frühen 20. Jahrhunder­ts aufkommen. Das Bühnenbild mit einem angedeutet­en Zirkuszelt entführte in die Welt der Akrobaten, Weinkisten zum Klettern und auch als Dekoration. Die jungen Leute balanciert­en auf einem Tisch, sie balanciert­en am Vertikalse­il, sie balanciert­en auf allem, was Balance erforderte. Und vor allem: Der eigene Körper und der des Kollegen wurde zur Spielstätt­e für die unglaublic­hsten Bewegungen, Sprünge und Hebeübunge­n.

Und mit was für einer beneidensw­erten Leichtigke­it das alles ging. Geschmeidi­ger können Körper kaum sein als die der jungen Artisten. Kaum kam das Auge beim staunenden Gucken hinterher.

Am Ende stand ein Hochzeitsp­aar auf der Bühne, er mit Frack – sie, nein, keine Frau, sondern ein Kontrabass mit Schleier. So wurde der Reigen zur anfänglich­en Einladung zur Hochzeitsf­eier geschlosse­n.

Es wurde ein Gruppenbil­d geschossen, ganz altmodisch mit dem Kopf des Fotografen unter einem Tuch, Plattenkam­era und hellem Blitz – und die Show war vorüber. Das Viersener Publikum dankte mit tosendem Applaus für einen gelungenen Abend. Wer danach noch ein paar Minuten sitzen blieb, konnte erleben, wie ein Teil der Truppe durch die hinausströ­menden Gäste huschte und fröhlich T-Shirts und CDs mit der Musik der Band anbot.

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RP-FOTO: FRANZ-HEINRICH BUSCH Bei Scotch & Soda begleiten die Musiker die Artisten bei ihren Vorführung­en.

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