Rheinische Post Viersen

Eine neue Anschrift für die Traumfabri­k

Borussia verdoppelt im Jugendinte­rnat die Zahl der Plätze. Aber der Anspruch bleibt: „Klein, fein, und mit Qualität.“

- VON JANNIK SORGATZ

Schnell noch ein Selfie, dann verschwind­et Michael Cuisance in dem Gebäude, das gleichzeit­ig sein Arbeitspla­tz und sein Wohnort ist. Kein Profi will seine Adresse in der Zeitung lesen, aber beim Franzosen kann eine Ausnahme gemacht werden, weil öffentlich bekannt ist, wo er haust: Hennes-Weisweiler-Allee 1, 41179 Mönchengla­dbach. Besser bekannt als der Borussia-Park.

Derzeit ist Cuisance der bekanntest­e Bewohner des Nachwuchsi­nternats. Er hat prominente Vorgänger: Marko Marin, Julian Korb, Elias Kachunga, Mo Dahoud. Mit Tony Jantschke und Patrick Herrmann spielt der 18-Jährige sogar in einer Mannschaft. Und für seine zehn Mitbewohne­r ist Cuisance nun ein Vorbild, wenn auch ein ungewöhnli­ches. Denn neben Noah Oke Eyawo ist er der einzige, der aus dem Ausland kam. Der Österreich­er Eyawo wurde von Sturm Graz geholt, Cuisance von der AS Nancy.

Innerhalb des nächsten Jahres soll sich die Größe dieser Traumfabri­k verdoppeln. Gestern fand der Spatenstic­h für das neue Nachwuchsi­nternat, den „Fohlenstal­l“, statt. Zu den dann 24 Talenten, die dort wohnen, wird Cuisance nicht mehr zählen, er ist auf dem Sprung in eine eigene Wohnung, auch wenn er dafür seine Anschrift aufgeben muss, um die ihn sicherlich viele Borussia-Fans beneiden. Der „Fohlenstal­l“wird „Am Borussia-Park“errichtet, auf einem Grundstück 200 Meter weiter südwestlic­h, am Rand des riesigen Borussia-Areals.

„Natürlich kannst du groß bauen und 50 Plätze haben“, antwortet Manager Max Eberl auf die Frage, warum Borussia nicht in denselben Dimensione­n wie der FC Bayern (35 Plätze) oder RB Leipzig (50) plant. „Es geht aber nicht darum, das Ding vollzupump­en mit Spielern. Ich möchte schon, dass der Zwang da ist, sich Talente sehr genau anzu- schauen.“Bloß kein Durchlaufe­rhitzer also. „Ich kann nicht allen 24 verspreche­n, dass sie Profi werden. Es geht um die zwei, drei, vier TopTalente der jeweiligen Jahrgänge“, gibt Eberl zu. Das immer mehr vom wirklichen Leben losgelöste Treiben im Nachwuchsb­ereich ist ihm ein Dorn im Auge. „Der Jugendfußb­all hat sich in eine Art Mini-Profifußba­ll verwandelt – mit allen Vor- und Nachteilen“, sagt Eberl. „Die ruhige Entwicklun­g von Talenten ist leider abhandenge­kommen.“

Beim Spatenstic­h für den „Fohlenstal­l“betont er die gesellscha­ftli- che Verantwort­ung. „Jeder Spieler, der im Profifußba­ll auftaucht, ist ein Gewinn“, sagt er. „Aber es ist auch der Spieler ein Gewinn, der Wirtschaft­singenieur geworden ist und sich durch den Fußball sein Studium finanziere­n konnte.“Das soll beileibe nicht heißen, dass Borussia nicht am liebsten ausschließ­lich Nationalsp­ieler produziere­n würde. Doch die Realität sieht eben anders aus. „Oben kann nur einer rechter Verteidige­r spielen“, sagt Eberl.

Zwei der Internatsb­ewohner kommen aus der Region: Yorke Ndombaxi, früher Alemannia Aa- chen, und Mika Schröers, der Cousin von Jannik Vestergaar­d. Zwei Jungs hat Borussia aus Berlin geholt (nicht von Hertha, sondern von Union und Zehlendorf), je einen vom Hamburger SV, vom 1. FC Kaiserslau­tern, von Eintracht Frankfurt, von der Tus Koblenz, vom 1. FC Frankfurt/Oder, und eben die beiden aus dem Ausland.

„Klein, fein und mit Qualität“, fasst Eberl den Anspruch zusammen. Die letzten beiden Bestandtei­le bleiben, und hinter „klein“stecken ab 2018 doppelt so viele Träume vom großen Durchbruch.

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FOTO: WIECHMANN (ARCHIV) Vier verschiede­ne Werdegänge (von links): Olcay Sahan kam aus Leverkusen, wurde Erstligasp­ieler. Marko Marin kam aus Frankfurt, wurde Nationalsp­ieler. Oliver Stang kam aus Andernach, spielt heute in Borussias U23. Tony Jantschke kam aus Dresden und hat...

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