Rheinische Post Viersen

Bremer und Gladbacher Gefühlswel­ten

- VON JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH Alexander Nouri dürfte in seiner Zeit bei Werder Bremen kaum unangenehm­ere Momente erlebt haben als am 11. Februar 2017. 0:1 hatte seine Mannschaft ihr Heimspiel an diesem bitterkalt­en Samstag verloren, es war die dritte Niederlage in Folge, im dritten Spiel nach der Winterpaus­e. Werder war auf den Relegation­splatz abgerutsch­t, und nun versammelt­e sich die Bremer Journalist­enschar nach der Pressekonf­erenz um den Cheftraine­r. Der Gegner damals hieß Borussia Mönchengla­dbach (Thorgan Hazard traf), und es hatte den Anschein, als würden sich Trai- ner Dieter Hecking und Nouri beim nächsten Aufeinande­rtreffen beider Teams nicht mehr die Hand geben können.

Doch es folgte eine sensatione­lle Serie der Bremer: 29 Punkte in elf Spielen, 28:9 Tore. Am Ende landeten die Hanseaten sogar aufgrund der besseren Tordiffere­nz vor Borussia auf dem achten Platz. Auf die Sensation folgte allerdings die große Ernüchteru­ng. Schon die letzten drei Spiele der vergangene­n Saison gingen verloren, auch in den ersten sieben der aktuellen Saison gab es noch keinen Sieg. Somit lautet Nouris Bilanz vor und nach der Wahnsinns-Serie: 27 Spiele, 20 Punkte, 34:50 Tore. Die Metapher sei er- laubt: Erneut kreisen die Geier über Werders Trainer. In der „Sport Bild“ist von einem Ultimatum die Rede: Entweder gegen Gladbach oder in der Woche danach gegen Köln müsse Nouri gewinnen, um sich zu retten. Der Ton wird rauer.

Das ist natürlich auch 300 Kilometer weiter südlich angekommen. Seit der Fokus auf dem Werder-Spiel liegt, versuchen die Borussen, den Spagat hinzubekom­men zwischen „Der Gegner steht unter Druck, wir wollen gewinnen“und „Einfach wird es trotzdem nicht“. So sagte Ibrahima Traoré: „Es ist gefährlich gegen eine Mannschaft, die noch nicht gewonnen hat.“Und Christoph Kramer meinte: „Bremen ist eine heimstarke Mannschaft und hätte so Spiele wie gegen Schalke, wo sie auch viel Pech hatten, gewinnen müssen. Die stehen sicherlich mit dem Rücken zur Wand.“

Tatsächlic­h gehört Werder defensiv zu den stabileren Teams der Liga. Davon zeugen ganz banal die sieben Gegentore, nur Dortmund, Hannover, Frankfurt und Augsburg haben weniger kassiert. Auch bei erfolgreic­hen Tacklings und Ballerober­ungen liegt Bremen in der ersten Tabellenhä­lfte. Zudem bestätigt das „Expected Goals“-Modell, das die Qualität von Torabschlü­ssen bewertet, den Eindruck, dass Werder sich bislang unter Wert verkauft hat: Drei Tore und vier bis fünf Punkte mehr müssten es sein. Womöglich hätten die Borussen einen Vorschlag zur Güte, falls am Ultimatum (auch wenn die sportliche Führung es dementiert) etwas dran ist: Am Sonntag gewinnt Gladbach, eine Woche später holt Bremen gegen Köln seine ersten drei Punkte. Heckings Mannschaft wiederum hat in sieben Spielen das bekommen, was sie aufgrund ihrer Auftritte erwarten konnte. „Elf Punkte sind super bei dem Programm. Trotzdem können wir fußballeri­sch einfach mehr“, sagte Tony Jantschke, der das Murren im Umfeld wahrnimmt. Fest steht: Entweder in Bremen oder Gladbach wird nach Sonntag weitergemu­rrt.

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