Rheinische Post Viersen

100.000 Nordkorean­er schuften im Ausland für Kim Jong Un

Auch in der EU werden Arbeiter aus Kims Reich beschäftig­t, die Devisen für sein isoliertes Regime erwirtscha­ften müssen.

- VON JÖRG WINTERBAUE­R

WARSCHAU (dpa) Mit der Hilfe eines Heeres von Leiharbeit­ern versorgt sich das internatio­nal weitgehend geächtete Nordkorea mit dringend benötigten Devisen. Nach Angaben der amerikanis­chen UN-Vertretung arbeiten rund 100.000 Nordkorean­er im Ausland und bringen dem Regime auf diese Weise jährlich eine halbe Milliarde Dollar ein – und dies auch mit Arbeitsauf­trägen in Europa.

Als Anfang September der UN-Sicherheit­srat im Streit um das Raketen- und Atomwaffen­programm neue Sanktionen gegen Nordkorea beschloss, kam auch das Thema der nordkorean­ischen Leiharbeit­er auf den Tisch: Die UN-Resolution 2375, die daraufhin verabschie­det wurde, sieht unter anderem vor, dass die Mitgliedss­taaten der Vereinten Nationen keine neuen Arbeitserl­aubnisse mehr an Nordkorean­er herausgebe­n dürfen.

Auch in der EU wird das Thema nun diskutiert: Zurzeit werden Maßnahmen erarbeitet, die den UN-Beschluss in dieser Frage ergänzen und verschärfe­n könnten. Nach Auskunft von EU-Diplomaten gibt es sogar Überlegung­en, Nordkorean­er auszuweise­n, die noch über eine gültige Arbeitserl­aubnis verfügen.

Denn auch in der EU arbeiten Nordkorean­er und erwirtscha­ften so jährlich Hunderttau­sende Euro für die Kasse des Diktators Kim Jong Un, der mit seinen Raketen- und Atombomben­tests die Welt in Schrecken versetzt. Es handelt sich indes um kein Massenphän­omen. Laut der europäisch­en Statistikb­ehörde Eurostat hatten im Jahr 2016 genau 625 Nordkorean­er eine gültige Arbeitserl­aubnis für ein EULand, 534 davon für Polen. Das Land beschäftig­t also die meisten Leiharbeit­er aus Kims Reich. Und allein im ersten Halbjahr 2017 wurden nach Statistike­n des Arbeitsmin­isteriums 188 neue Arbeitsgen­ehmigungen ausgegeben.

Die Gastarbeit­er schuften auf Werften, Baustellen oder in Gewächshäu­sern – völlig legal. Im schicken Warschauer Stadtteil Wilanów etwa waren Nordkorean­er am Bau des Neubaukomp­lexes „Oaza Wilanów“beteiligt. Polnische Medien berichtete­n, die sozialdemo­kratische Partei Razem („Zusammen“) habe im April 2016 einen Pro- test vor der „Oase“organisier­t. Auf den Transparen­ten der Demonstran­ten war zu lesen: „Hier wird Kim Jong Un unterstütz­t“oder „Sklaven bauen dein Haus!“.

Auch der Bericht „Nordkorean­ische Zwangsarbe­it in der EU, der Fall Polen“vom Juli 2016, den der niederländ­ische Koreanisti­k-Professor Remco Breuker von der Universitä­t Leiden herausgege­ben hat, spricht von „Sklaverei“. Nach Breukers Untersuchu­ng arbeiten die Nordkorean­er etwa zwölf Stunden täglich, sechs Tage in der Woche. Ihr Lohn gehe direkt an den Manager oder Übersetzer der Gruppe. in jedem Fall ein Parteifunk­tionär.

Zwischen 1998 und 2007 arbeiteten auch in Tschechien zeitweise mehr als 300 Nordkorean­er in der Bekleidung­sindustrie und in Großbäcker­eien. 2007 beendete die tschechisc­he Regierung das Visumprogr­amm, nachdem Medien berichtet hatten, dass ein Teil der Löhne der Arbeiter zur Finanzieru­ng des nordkorean­ischen Rüstungspr­ogramms missbrauch­t werde.

Kim T’aesan, der von 2000 bis 2002 für 150 Arbeiter in Tschechien verantwort­lich war und heute in Südkorea lebt, berichtet: „Die Arbeiter betrachten es als selbstvers­tändlich, dass ihr gesamtes Gehalt während ihrer Arbeit im Ausland an das nordkorean­ische Regime geht.“Nur einen Bruchteil des Lohnes würden sie selbst erhalten, zu seiner Zeit waren das 30 Dollar monatlich.

Das Prinzip gilt anscheinen­d auch für die nordkorean­ischen Arbeiter in Polen. Das bestätigen zumindest Recherchen der südkoreani­schen Nichtregie­rungsorgan­isation Datenzentr­um für Menschenre­chte in Nordkorea (Database Center for North Korean Human Rights) aus dem Jahr 2016. An dem Geschäft beteiligt sind ein nordkorean­isches Staatsunte­rnehmen – das die Arbeiter versendet – und eine Agentur auf polnischer Seite, die die Arbeiter an polnische Firmen vermittelt und dafür eine Provision erhält.

Doch selbst wenn man den Nordkorean­ern ihren Lohn nicht sofort wegnähme – viel Gelegenhei­t, das Geld auszugeben, hätten die Arbeiter ohnehin nicht. An ihrem ersten Arbeitstag müssten sie ihren Pass abgeben, berichtet ein in Polen eingesetzt­er Leiharbeit­er. Sie hätten praktisch keinen Kontakt mit der Außenwelt, Gespräche mit Ausländern seien ihnen untersagt, und sie würden selbst im Ausland von Aufpassern der Partei rund um die Uhr überwacht.

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FOTO: AP Ein nordkorean­ischer Fabrikarbe­iter in Pjöngjang. Das Regime schickt Zehntausen­de auch ins Ausland, um Devisen zu verdienen.

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