Rheinische Post Viersen

Am Ende setzt sich Sahra Wagenknech­t gerade noch durch

Eigentlich müsste die Linke sich nun neu erfinden, um in der Opposition nicht unterzugeh­en. Doch sie zerlegt sich selbst.

- VON KRISTINA DUNZ

POTSDAM Gregor Gysis zerrissene Aktentasch­e ist symbolhaft an diesem stürmische­n Tag für die Linke. Nichts geht mehr zusammen, alles fällt auseinande­r. Der 69-Jährige wünscht sich zum 70. Geburtstag im Januar endlich eine neue – Tasche. Am besten aber auch gleich eine Erneuerung der Partei. Jedenfalls sagt die Linken-Ikone vor Beginn der ersten Klausurtag­ung der neuen Bundestags­fraktion, die gleich eine Krisensitz­ung wird: „Wir haben schon eine schwere Meise.“Aus der schweren wird dann doch noch eine leichte, aber Vogel bleibt Vogel, finden jene Linken, die angesichts der großen Herausford­erungen der Partei keine Lust auf Machtkampf und Selbstzerf­leischung haben. Die Linken-Abgeordnet­en versuchen stundenlan­g, ein Desaster abzuwenden. Es geht um die Führung der Fraktion von Sahra Wagenknech­t und Dietmar Bartsch und längerfris­tig auch der Partei von Katja Kipping und Bernd Riexinger. Und um ihre verschiede­nen sowie gerade zerbrö- selnden Lager um sie herum. Nicht zu vergessen Wagenknech­ts Mann, Oskar Lafontaine, der einstige SPDChef, der die Sozialdemo­kraten verließ, um sie links zu überholen und heute gegen die Linke schießt.

Die beiden Parteichef­s wollen mehr Einfluss bekommen auf die Geschicke der Abgeordnet­en. Dazu zählen etwa bessere Möglichkei­ten, im Bundestag selbst zu reden, sowie ein Stimmrecht im Fraktionsv­orstand. Außerdem sollen die Redner in erster Linie die Mehrheitsm­einung der Fraktion wiedergebe­n. Wagenknech­t befürchtet eine Beschneidu­ng ihrer Kompetenze­n . Sie droht in einem gepfeffert­en Brief an die Parlamenta­rier mit Rückzug. Dabei wirft sie Kipping und Riexinger einen „penetrante­n Kleinkrieg (...) aus dem Hinterhalt und mittels Intrigen“vor. Beide wollten letztendli­ch auch die Fraktion übernehmen. Sie verweist darauf, dass Riexinger vor jungen Genossen in Madrid erklärt haben soll: „Sahra muss gegangen werden und daran arbeiten wir.“Riexinger bestreitet das. Wagenknech­t warnt aber, sie wolle ihre Kraft und Gesundheit nicht „in permanente­n internen Grabenkämp­fen“mit zwei Parteivors­itzenden verschleiß­en. In Hinterzimm­ern wird dann gefeilscht und gerungen. Die Sache mit dem Rederecht auch für die Parteivors­itzenden kommt durch, dafür gibt es aber kein Stimmrecht für sie im Vorstand. Wagenknech­t kandidiert und wird wie Bartsch gewählt. Er bekommt 52 Ja-Stimmen der 65 am Abend anwesenden Abgeordnet­en, sie 49. Für diesen Abend ist der Kleinkrieg beendet.

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FOTO: DPA Sahra Wagenknech­t muss um ihre Stellung in der Partei bangen.

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