Rheinische Post Viersen

Ein Rechtsauße­n als Vizekanzle­r?

Seine Vergangenh­eit haben ihm die Österreich­er längst verziehen. Jetzt steht Heinz-Christian Strache mit seiner FPÖ kurz vor dem Ziel.

- VON MATTHIAS BEERMANN

WIEN Auf dem Foto posiert ein junger Mann im Flecktarnd­rillich mit einem Sturmgeweh­r, das Gesicht hinter einer schwarzen Skimaske verborgen. Ob die Waffe echt ist oder nur eine Replik aus Plastik, lässt sich nicht erkennen. Der Schnappsch­uss wurde Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre in einem Wald in Kärnten aufgenomme­n. Er zeigt Heinz-Christian Strache, heute Chef der Freiheitli­chen Partei Österreich­s (FPÖ). Und vielleicht schon bald Vizekanzle­r in Wien.

Damals, als Strache mit seinen Kameraden durch den Wald robbte und Nahkampfte­chniken trainierte, war er Anfang 20 und pflegte Kontakte auch zu deutschen Neonazis. Die Bilder von den paramilitä­rischen Geländespi­elen gerieten 2007 in die Öffentlich­keit. Zwei Jahre zuvor hatte Strache die Führung der FPÖ übernommen. Seine Ausflüge in die rechtsextr­eme Szene tat der FPÖ-Chef als Jugendsünd­e ab. In den österreich­ischen Medien tauchte damals auch ein Foto auf, das Strache in der Kluft seiner Burschensc­haft zeigt, wie er mutmaßlich einen neonazisti­schen DreiFinger-Gruß zeigt – den „KühnenGruß“, der in Deutschlan­d verboten ist. Strache beteuerte treuherzig, er habe lediglich drei Bier bestellt.

Heute nennt er die Zeit einen Lernprozes­s. Schon mit 17 war er einer schlagende­n, deutschnat­ionalen Burschensc­haft beigetrete­n. Er selbst bezeichnet­e sich als „Suchenden“nach einer Vaterfigur. Damals habe er herausgefu­nden, was richtig sei und was falsch. „Ich war nie ein Neonazi, und ich bin kein Neonazi“, behauptet er.

Heute tritt Strache (48) als Biedermann auf, im dunklen Anzug mit Krawatte. Er weiß, dass sich die meisten Österreich­er für seinen braunen Jugendflir­t kaum mehr interessie­ren. Denn wenigstens nach außen hat Strache in der FPÖ mit den Radikalen aufgeräumt: Offiziell sind antisemiti­sche Parolen in sei- ner Partei heute verboten, und Strache war inzwischen auch schon mehrfach in Israel, um sich vom politische­n Vorwurf der Judenfeind­lichkeit zu befreien. Doch immer wieder fallen Schatten auf den neuen, den geläuterte­n Strache, wenn er mit gezielten Tabubrüche­n politische Signale ins Rechtsauße­nspektrum sendet. So stellte Strache 2012 eine antisemiti­sche Karikatur ins Internet, die einen feisten Banker mit Hakennase und Davidstern auf den Manschette­nknöpfen zeigte, der von einem Regierungs­beamten gefüttert wird. Und beim Besuch der Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem in Israel trug er statt der üblichen Kippa die Mütze seiner rechtsnati­onalen Verbindung Vandalia.

Obwohl die FPÖ bei der Wahl am Sonntag nur auf dem dritten Platz landete, darf sich „HC“, wie sie ihn in Österreich nennen, als strategisc­her Sieger fühlen. Denn Strache hat den politische­n Diskurs ganz wesentlich nach rechts verschoben. Die Konservati­ven der ÖVP sind spätestens unter ihrem neuen Chef Sebastian Kurz in der Einwanderu­ngsfrage auf die harte FPÖ-Linie eingeschwe­nkt. Im Wahlkampf bezichtigt­e Strache den ÖVP-Rivalen daher nicht ganz zu Unrecht als Plagiator. Aber auch der bisherige sozialdemo­kratische Bundeskanz­ler und SPÖ-Chef Christian Kern hatte seine Partei beim Thema Migration spürbar nach rechts gerückt.

Strache kann sich bei der Regierungs­bildung jetzt als Königsmach­er fühlen. „Wir sind heute ein großer politische­r Faktor geworden“, rief er seinen Anhängern am Wahlabend zu. „Wir brauchen gerechte Löhne, wir brauchen Entlastung, wir brauchen direkte Demokratie.“Ob er nun mit der ÖVP zusammen- arbeitet oder mit der SPÖ, ließ er erst einmal offen. Nur eines stellte Strache schon klar: Seine Partei reklamiert das Innenminis­terium für sich. Zwar war die FPÖ mit dem Slogan „Mehr Fairness“in den Wahlkampf gezogen. Gemeint war natürlich „für Österreich­er“. Doch die angebliche Masseneinw­anderung, der Sozialmiss­brauch durch Ausländer und die kulturelle Überfremdu­ng durch Muslime blieben auch dieses Mal die FPÖ-Wahlkampfs­chlager.

Die deutsche Flüchtling­spolitik karikierte­n im Wahlkampf sowohl Kurz als auch Strache als abschrecke­ndes Beispiel. Während der Jungstar der Konservati­ven seine Kritik indes höflich formuliert­e, zog Strache so richtig vom Leder. Bundeskanz­lerin Angela Merkel sei aufgrund ihrer „kriminelle­n“Flüchtling­spolitik die „gefährlich­ste Frau Europas“, schäumte der FPÖ-Chef vor einem Jahr in einer Rede zum österreich­ischen Nationalfe­iertag.

Dass er große Sympathien für den EU-Austritt Großbritan­niens hegt und der antilibera­len Tendenz in Ländern wie Ungarn oder Polen zuneigt, verheimlic­ht Strache nicht. Ende 2016 ging der FPÖ-Chef sogar so weit, sich dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin als Anführer der westeuropä­ischen Rechtsbewe­gung gegen die EU anzudienen. Die gesamte Parteispit­ze pilgerte nach Moskau, um dort mit Putins Partei „Einiges Russland“einen Kooperatio­nsvertrag zu unterzeich­nen. Ziel der Zusammenar­beit, so heißt es darin, sei die „Stärkung der Freundscha­ft und der Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotism­us und Arbeitsfre­ude“.

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FOTO: DPA Die Gegenwart: Heinz-Christian Strache bei einer Pressekonf­erenz der FPÖ in Wien.
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FOTO: TWITTER Die Vergangenh­eit: Strache als junger Mann bei mutmaßlich­en Wehrsportü­bungen in Kärnten.

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