Rheinische Post Viersen

Mit Klingelbal­l und Farb-Erkenner unterwegs

An drei Grundschul­en sprach die blinde Vierseneri­n Nina Odenius über ihr Handicap und stellte Hilfsmitte­l vor

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SÜCHTELN (tre) „Nina, kannst du mir meinen Namen vorlesen?“, möchte Jason wissen und hält Nina Odenius einen schmalen weißen Streifen Papier mit kleinen Erhebungen hin. Der Viertkläss­ler der Süchtelner Martinschu­le hat gerade an der Blindensch­reibmaschi­ne gesessen und mit fachlicher Hilfe seinen Namen per Braillesch­rift geschriebe­n. Die Finger der blinden 26-jährigen Vierseneri­n gleiten über das Papier. „Jason“liest Nina Odenius vor.

Der Neunjährig­e ist sichtlich erstaunt. Aber noch größere Augen bekommt er, als Odenius zu dem großen Buch auf dem Tisch greift. Es handelt sich um einen DonnaLeon-Krimi, der in Blindensch­rift verfasst ist. Die junge Frau schlägt das Buch auf. Es ist so groß, dass es an ein Fotoalbum erinnert. Ihre linke Hand gleitet über die Braillesch­rift. „Brunetti hatte Entführung­en schon immer als das Scheuß- lichste...“, beginnt sie zu lesen. Das Vorlesen löst bei den Grundschül­ern eine Reihe von Fragen aus. Sie wollen wissen, wie Odenius das Al- phabet gelernt hat, wie sie am Laptop arbeitet, den die blinde Frau neben sich stehen hat, und was es mit den anderen Hilfsmitte­ln auf sich hat, die Odenius ebenfalls mitgebrach­t hat.

Die 26-Jährige, die von Geburt an blind ist, besuchte Viersener Grundschul­en und stellte dort sich und ihre Hilfsmitte­l vor, die ihr den Alltag erleichter­n. Unterstütz­t wurde sie von Mitarbeite­rn der Deutschen Bank, die im Rahmen des sogenannte­n Social Day agieren. „Es ist wichtig, schon junge Menschen für Mitmensche­n mit Handicap zu sensibilis­ieren und ihnen Berührungs­ängste zu nehmen“, erklärt Odenius. Sie sprach insgesamt drei Grundschul­en an und stieß auf offene Türen.

Wobei die Martinschu­le ein Heimspiel für sie ist. Dort ging die Vierseneri­n einst zu Schule. „Als Nina uns ansprach, waren wir sofort dabei. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, ein solches Angebot regelmäßig durchzufüh­ren“, sagt Schulleite­rin Sabine Weuthen. Das Inte- resse bei den Dritt- und Viertkläss­lern ist groß. Sie lernen den Füllstands­anzeiger kennen, der blinden Menschen hilft, Tassen zu befüllen, erfahren, wie sie die Uhr lesen können und wie der Farb-Erkenner funktionie­rt. In der Turnhalle klappert hingegen ein Klingelbal­l. Die Grundschül­er stehen im Kreis um Odenius’ Mutter Angelika Odenius, wobei jeder eine schwarze Schlafmask­e trägt. Nur mit Verlass auf das Gehör macht der Ball mit seinem geräuschvo­llen Innenleben die Runde. Dass auch Fußballspi­elen möglich ist, verdeutlic­ht Angelika Odenius zusammen mit Philipp Kallies von der Deutschen Bank im Anschluss. Alle dürfen es ausprobier­en, wobei „es wirklich komisch ist, nicht zu sehen, wohin man den Ball schießt“, sagt Lauren. In einem sind sich alle Dritt- und Viertkläss­ler einig: Es war ein informativ­er und spannender Vormittag.

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FOTO: TREFFER Mit großen Interesse erlebten die Schüler der Viersener Martinschu­le, wie Nina Odenius die Braillesch­rift vorlas.

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