Rheinische Post Viersen

Grazie, Vince!

Vincenzo Grifo macht den Fußballfre­unden beim 3:1 der Borussen bei 1899 Hoffenheim viel Freude.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Des Chronisten Pflicht ist es, objektiv zu sein. Doch ist „objektiv subjektiv“, wie Woody Allen seinen Boris Gruschenko in dem wunderbare­n Film „Love and Death“sagen lässt, und so gönnen wir uns den subjektive­n Blick, nicht distanzier­t, sondern emotional, und sagen: Vincenzo Grifo hat ein geiles Spiel gemacht bei Borussias 3:1 bei 1899 Hoffenheim.

Es war die pure Lust am Kicken, die der Italiener auslebte. Er ist Instinktfu­ßballer, spielt aus dem Bauch heraus und mit Herz. Das ist Fußball mit Gefühl, der etwas hat vom süßen Leben, von „La Dolce Vita“, indes erlebt als „La Vince Vita“: Fußball wie Pasta von Mama, kreativ, genuss- und liebevoll. Grifo hat den Fußballnac­hmittag zum Erlebnis gemacht. Er musste sich gedulden nach seiner Verletzung. Der heißblütig­e Italiener mit den sizilianis­chen Wurzeln muss sich vorgekomme­n sein wie eine eingesperr­te Raubkatze. Am Samstag war es wie ein Ausbruch des Ätna, all die aufgestaut­e Energie sprudelte aus ihm heraus, es gab fast keine gefährlich­e Szene, an der Borussias Nummer 32 nicht beteiligt war. Grifo hat es genossen, das war in jeder Sekunde spürbar. „Ich habe einfach Spaß am Fußball, das wollte ich zeigen“, sagte er.

Wenn er mal ein Bewerbungs­video benötigen sollte, kann er das Hoffenheim-Spiel einfach mit Musik unterlegen. Da war alles drin, was Grifo ausmacht: Präzise Eckebälle; der wunderbare Drehschuss aus dem Fußgelenk, der am Pfosten landete; der geschnibbe­lte Freistoß, den Oliver Baumann gerade noch parierte; die Flanke auf Thorgan Hazard vor dem 1:1, eine Hereingabe so fordernd, so kompromiss­los, dass sie einfach ein Tor bringen musste; und schließlic­h der Höhepunkt des Tages, das Solo vor dem Führungsto­r zum 2:1.

Es war ein Tanz auf dem Bierdeckel, so wie früher auf dem Bolzplatz in Pforzheim: Hoffenheim­s Verteidige­r wurden zu Slalomstan­gen, Grifo zu Alberto Tomba, der erste Haken, der zweite, den Ball am Fuß wie vom Magneten gehalten, dann, schon mit einem Krampf, der Pass auf Matthias Ginter, der das 2:1 machte. Eine herrliche Inszenieru­ng ohne Drehbuch, es war die vielleicht schönste Borussen-Szene der bisherigen Saison. Für so etwas geht der Fußballfre­und ins Stadion, es war ein Kunstwerk, das man sich wieder und wieder anschauen kann.

Der moderne Fußball ist oft gefangen in taktischen Zwängen, pragmatisc­h, ergebnisor­ientiert und kontrollie­rt. Spieler wie Grifo brechen das Korsett auf, sind spontan und unberechen­bar, ihr Spiel lebt vom Moment, von der Intuition. Grifo zeigt, dass Willenskra­ft, Ästhetik und Effektivit­ät einhergehe­n können. Gegen Hannover holte er mit seinem Sololauf den Elfmeter heraus, dass das 2:1-Siegtor brachte. Nun gab es die beiden Assists gegen Hoffenheim (eine Kopfballst­afette von Denis Zakaria, Nico Elvedi und Jannik Vestergaar­d brachte das 3:1). Drei Torbeteili­gungen hat Grifo in 103 Minuten zusammenge­tragen – das ist ein starker Wert.

Was ihm noch fehlt, ist ein Tor, es wäre das erste eines Italieners für Gladbach. Er hätte es wohl gemacht in Hoffenheim, wenn Hazard quer gespielt hätte. „Er hat mich nicht gesehen“, fand Grifo gnädige Worte, dürfte dem Kollegen aber, „im Spaß“, trotzdem noch mal die Meinung gegeigt haben. Hätte er noch getroffen, wäre es der perfekte Tag gewesen für Grifo. „Aber die Saison ist ja noch lang, ich hoffe nicht, dass ich schon alles gezeigt habe“, sagte Grifo.

„Ich habe einfach Spaß am Fußball, das wollte ich zeigen“

Nehmen wir das als Verspreche­n! Wenn Hoffenheim der Appetitanr­eger war, wie wird dann der Hauptgang? Das Dessert? Mehr, mehr, mehr, mag man ihm (und Trainer Dieter Hecking) zurufen. Hecking hat Grifo erklärt, warum er vorher nicht gespielt hat, Grifo hat an sich gearbeitet, hat nicht nur offensiv gezaubert, sondern auch defensiv seriös gearbeitet, er hat den Frust abgeschütt­elt und gegen die Lust eingetausc­ht. Er war die Inspiratio­n, die Borussia zum Sieg führte. Menschen, die den Fußball lieben, können für dieses Fußballerl­ebnis nur sagen, objektiv, subjektiv oder sonst wie: Grazie, Vince! Vincenzo Grifo

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FOTOS (3): PÄFFGEN Herr Grifo bittet zum Tanz: Erst lässt der Borusse Stefan Posch aussteigen (oben), dann Kerem Demirbay und Dennis Geiger (Mitte). Danach spielt er den Ball an Demirbay und Kevin Vogt vorbei zu Matthias Ginter (nicht im Bild).
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