Rheinische Post Viersen

„Der liebe Gott hilft mir“

Nach seinem beachtlich­en Startelf-Debüt für die Borussia in der Fußball-Bundesliga spricht der Italiener vor der heutigen Heimpartie gegen den FSV Mainz 05 über seinen Glauben, Bolzplatz-Tricks, Defensivar­beit und Cristiano Ronaldo.

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Herr Grifo, wie viele WhatsAppNa­chrichten und SMS haben Sie am Samstag bekommen? Da haben Sie bei Borussias 3:1 bei 1899 Hoffenheim ein großartige­s Spiel gemacht.

GRIFO (lacht) Viele. Es war ja auch mein erstes Spiel für Gladbach von Anfang an. Und dann hat auch noch vieles geklappt. Da ist es ja logisch, dass man einige Nachrichte­n bekommt.

Beantworte­n Sie die alle?

GRIFO Sich bei allen zu melden, geht nicht. Als erstes telefonier­e ich immer mit meinem Papa.

Was hat er gesagt?

GRIFO Er war zufrieden, wie meine ganze Familie. Er ist ganz sachlich, wenn er mit mir über meine Spiele spricht. Und er wusste auch, dass es nach so langer Zeit nicht so einfach ist, eine gute Leistung zu bringen. Er hat mich gelobt – das tut natürlich gut. Generell gab es viel Lob nach dem Spiel, aber ich denke auch, dass ich das richtig einordnen kann. Das Spiel ist jetzt vorbei. Man kann sich zwei Tage freuen, dann muss der Blick nach vorn gehen.

Schauen Sie sich die schönsten Szenen noch mal an?

GRIFO Das kommt darauf an, ob die Zeit es zulässt. Ich habe momentan Besuch von meiner Familie, da habe ich es gar nicht geschafft, mir viel anzusehen. Aber die Highlights haben wir uns ja schon im Teambus auf der Rückfahrt angeschaut.

Sie haben vom Besuch Ihrer Familie gesprochen. Bei Instagram haben Sie ein Foto vor dem Dom in Köln gepostet. Sie haben nach dem Spiel in Sinsheim„dem lieben Gott“gedankt. Wie wichtig ist der Glaube für Sie?

GRIFO Sehr, sehr wichtig. Ich glaube an Gott, und ich weiß, dass er mich schon öfter belohnt hat für meine harte Arbeit. Es gab nun mal auch die schwierige Zeit mit der Verletzung, und in dieser Zeit hat mir der liebe Gott geholfen, positiv zu bleiben.

Ihr Glaube gibt Ihnen Kraft?

GRIFO Ja, auf jeden Fall.

Dann war die Audienz beim Papst für Sie eine sehr große Sache.

GRIFO So etwas Schönes habe ich selten erlebt, es waren unglaublic­he Sekunden, dem Papst gegenüberz­ustehen und ihm die Hand geben zu dürfen.

Da hat dann bestimmt Ihre Mutter als erste angerufen, um zu fragen, wie es war?

GRIFO Da war die ganze Familie dran – mit dem Lautsprech­er. Da haben mich alle beneidet. Meine Eltern ha- ben den Papst schon mal gesehen, aber in Rom aus ganz weiter Entfernung auf dem Petersplat­z. Ich habe ihn in Mailand mal gesehen, auch aus der Entfernung. Aber das jetzt in Rom, das war eine ganz andere Sache. Es war ein tolles Erlebnis, das ich nie vergessen werde.

Der Papstbesuc­h und das Hoffenheim-Spiel plus die Minuten gegen Hannover, als Sie nach Ihrer Einwechslu­ng den Elfer rausgeholt haben– sonst hatten Sie noch nicht viele schöne Momente bei Borussia.

GRIFO Das würde ich so nicht sagen. Verletzung­en gehören nun mal zum Fußball dazu – und auch die Geduld, sich nach vier, fünf Wochen Pause wieder hinten anzustelle­n. Es ist normal, dass man da nicht gleich wieder reingeworf­en wird. Klar, ich hatte einen guten Einstand gegen Hannover und hatte mir dann auch etwas mehr Einsatzzei­t erhofft. Ich musste aber warten und habe nun meine Chance bekommen. Ich denke auch, dass ich sie genutzt habe. Bei mir ist es einfach so: Ich habe Spaß am Fußball, ich liebe den Fußball, und ich habe immer, jeden Tag, Bock zu kicken.

Heute kicken Sie in Gladbach. Früher als Kind war es der Bolzplatz in Pforzheim. Wie viel Bolzplatz steckte im Hoffenheim-Spiel?

GRIFO Viel. Das sind so Dinge, die man früher auf dem Bolzplatz gelernt und immer wieder gemacht hat. Dass es dann so klappt wie am Samstag, passiert natürlich auch nicht immer. Es war aber schön. Und ich war allgemein sehr zufrie- den, weil wir gewonnen haben. Hoffenheim hat eine tolle Mannschaft mit super Einzelspie­lern, da muss man erst mal so aufspielen wie wir.

Die Fans schwärmen von Ihren Offensivak­tionen. Spricht man mit Ihrem Trainer über Sie, sagt er: Mir hat sehr gefallen, wie er nach hinten gearbeitet hat. Ist es das, woran sie gearbeitet haben in den vergangene­n Wochen? Das defensive Arbeiten?

GRIFO Ich habe zwei Jahre in Freiburg gespielt. Da mussten wir viel verteidige­n, auch ich. Das habe ich mir eingeprägt, und ich weiß, dass das Verteidige­n, die Stabilität wichtig ist. Du bist stabiler, wenn du mit möglichst vielen Leuten hinten bist.

Trotzdem: Sitzen manchmal auf Ihren Schultern Teufelchen und Engelchen, und das Teufelchen flüstert: ,Vince, geh nach vorn, verteidige­n können andere, du willst Spaß haben?‘

GRIFO Nein, solche Gewissensk­onflikte habe ich nicht. Aber als ich damals zum KSC kam, war es schon eine Umstellung. In Pforzheim musste ich nie nach hinten arbeiten. Das hat sich aber mehr und mehr eingeprägt. Du hast in der Bundesliga auch keine andere Wahl. Also muss ich mir das auch antun.

Sie haben den Fußball-Freunden viel Freude gemacht, mir Ihrem Spiel gegen Hoffenheim. War es ein perfekter Tag, auch wenn Sie kein Tor geschossen haben?

GRIFO Wenn ich dem Team so helfen kann und zwei Tore vorbereite, ist es für mich ein perfekter Tag. Klar, wenn man drei Tore schießt, ist es auch ein perfekter Tag, aber wir haben gewonnen, und ich habe meinen Teil dazu beigetrage­n. Das passt doch.

Wie enttäuscht wären Sie, wenn Sie gegen Mainz wieder raus müssten?

GRIFO Nach so einer Leistung hofft man natürlich, dass man weiter spielen darf. Aber die Entscheidu­ng liegt beim Trainer. Ich habe mich angeboten, gebe Gas im Training, der Rest wird sich dann zeigen.

Stehen Sie nach dem Training oft auf dem Platz und schießen Bälle ins Tor?

GRIFO Sehr oft. Sicher nicht, wenn wir zweimal trainieren, aber wenn die Zeit da ist, dann sage ich: Ich nehme mir noch 20 Minuten, haue den Ball auf die Kiste und schieße ein paar Freistöße. Das macht Spaß. Und man sieht auch, dass man dafür belohnt wird, auch wenn der Ball jetzt nur an die Latte gegangen ist. Es gab ja einige Freistoß-Tore in den vergangene­n Jahren. Ich denke mir dann ein paar kleine Übungen aus: Ein, zwei Kontakte und dann drauf, oder der Torwart spielt mir den Ball zu und ich halte drauf, was auch immer. Ich finde es toll, wenn der Ball im Netz ist.

Cristiano Ronaldo macht das auch noch immer.

GRIFO Das habe ich auch gehört. Wer jedes Jahr 50 Tore macht, muss so etwas machen. Ronaldo ist so gut, weil er immer weiter an sich arbeitet. Ich habe großen Respekt vor ihm. Er ist eine Marke, seine Fans lieben ihn.

Gehen wir mal davon aus, dass in Gladbach auch schon ein paar GrifoTriko­ts verkauft worden sind.

GRIFO Ich habe schon einige gesehen. Es macht mich jedes Mal wieder stolz. Es ist toll, wenn die Leute sagen: Das ist ein toller Fußballer, sein Trikot möchte ich.

Kurz vor Weihnachte­n geht es zu Ihrem Ex, Freiburg. Auch Hoffenheim war eine Rückkehr. Dort lief es gut für Sie. Was erwarten Sie in Freiburg?

GRIFOEs ist immer schön, zurückzuko­mmen. Ich hatte tolle zwei Jahre da und habe den Verantwort­lichen dort viel zu verdanken. Sie haben mich besser gemacht. Wir sind im Guten auseinande­rgegangen. Ich habe mich für den nächsten Schritt entschiede­n. Aber es ist noch viel Zeit bis zum Freiburg-Spiel.

Erst mal kommt Mainz. Sind wir uns dennoch einig: Das Heimspiel gegen Mainz sollte man gewinnen?

GRIFO Davon gehen die Leute aus. Aber es wird, denke ich, ähnlich wie gegen Hannover kein Selbstläuf­er. Mainz hat auch Qualität, gute Spieler und einen guten Plan. Es ist eine stabile Mannschaft. Dennoch werden wir unsere Chancen bekommen, gerade mit unseren Fans im Rücken. Wenn ich von Anfang an spielen sollte, freue ich mich auf mein Startelf-Debüt im eigenen Stadion. Und ich werde, wie immer, mein Bestes geben.

103 Minuten haben sie bisher für Gladbach gespielt und haben drei Torvorlage­n. Zufrieden?

GRIFO Ja, sicher. Ich hätte sicher gern mehr gespielt, aber an der Verletzung ist nun mal nichts mehr zu ändern. Ich schaue nach vorn. Nur das zählt. Also werde ich hart trainieren und arbeiten.

Dieter Hecking hatte moniert, dass Sie im Training etwas mehr machen könnten.

GRIFO Eigentlich bin ich einer, der im Training alles gibt. Fußball ist Fußball, ob im Spiel oder im Training. Aber wenn der Trainer das Gefühl hat, dass man etwas mehr machen muss, versucht man eben noch etwas mehr aufs Gaspedal zu treten.

Ihr Spiel in Sinsheim war ein klares Statement.

GRIFO Das kann schon sein. Aber ich bleibe auf dem Boden. Ich freue mich, dass es so gelaufen ist. Man spielt, um Spaß zu haben und Erfolge zu feiern. Das haben wir am Samstag getan und wollen es weiter machen. Hoffentlic­h mit einem Heimsieg gegen Mainz.

Wenn Sie dann spielen, werden die Leute viel erwarten. Haben Sie den Maßstab sehr hochgelegt?

GRIFO Man darf sicher nicht jedes Mal so ein Spiel wie gegen Hoffenheim erwarten. Klar, ich habe auch Lust darauf, dass es immer so läuft, aber das wäre vermessen, so zu denken. Fußball ist auch Tagesform, zudem muss es auch im Team laufen. Es muss vieles zusammenpa­ssen. Gegen Hoffenheim war es so. Und warum sollte es gegen Mainz nicht wieder so kommen?

Sind Sie stimmungsa­bhängig in Ihrem Spiel?

GRIFO Nein. Ich fühle mich immer gut, wenn ich zum Fußball fahre. Es ist doch klasse: Hier sind 54.000 Leute im Stadion, die Stimmung ist super. Ich schätze und genieße es sehr, hier zu sein. Man kann es den Fans mit Toren oder Vorlagen zurückzahl­en. Das war immer mein Traum – und ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mal schlecht gelaunt in ein Spiel gegangen bin. DAS INTERVIEW FÜHRTE KARSTEN KELLERMANN

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FOTO: IMAGO Borussias Italiener Vincenzo Grifo.

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