Rheinische Post Viersen

RP-Leser entziffern Brief aus dem Ersten Weltkrieg

Ein Nettetaler fand vergangene Woche einen Brief aus dem Jahr 1915 — und konnte die Handschrif­t nicht entziffern. Unsere Leser haben geholfen

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NETTETAL (skr) Ein Brief aus dem Jahr 1915 ist entziffert. Ein Facebook-Nutzer hatte vergangene Woche um Unterstütz­ung beim Lesen des Schriftstü­cks gebeten. Der gebürtige Nettetaler hatte ihn beim Durchsehen persönlich­er Unterlagen entdeckt. Zahlreiche RP-Leser boten ihre Hilfe an, Marcus Ewers vom Viersener Kreisarchi­v entziffert­e einige Passagen. Nun aber ist der ganze Inhalt klar.

„Das war gar nicht so einfach, da der Briefschre­iber einen ganz eigenen Schreibsti­l pflegte und offenbar auch teilweise Buchstaben weggelasse­n hat“, sagt Heinz-Jürgen Feller aus Leverkusen. Gemeinsam mit seiner Frau Brunhilde nimmt er einmal im Monat an einem Lese-Kreis teil. „Dort befassen wir uns auch mit der Sütterlin-Schrift“, sagt er.

Demnach wurde der Brief am 28. Oktober 1915 von dem Oberpost-Inspektor Wawrzik in Warschau geschriebe­n, er war adressiert an den Oberpost-Inspektor Max Schmidt in Berlin. Wawrzik bittet in dem Schreiben darum, dass man ihm „alle sachdienli­chen Vorgänge über die belgischen Anträge und Einrichtun­gen aus den Akten“herauszieh­en möge, um diese „von einer Kanzlei abschreibe­n zu lassen“. Der Autor beschreibt außerdem die Situation in Warschau: „Wir haben hier schon starken Frost, ich habe mich ordentlich erkältet, weil ich noch ohne Pelz bin.“

Auch ein in Polen tätiger Übersetzer hat sich dem Brief gewidmet. Zwar möchte er anonym bleiben, jedoch hat er einige Anmerkunge­n zu dem Schriftver­kehr. „Interessan­t ist, dass sowohl der Briefschre­iber wie auch der Postrat Bittlinski, der ebenfalls im Brief erwähnt wird, polnische Familienna­men tragen“, sagt er. „Ich gehe davon aus, dass diese nicht zufällig nach RussischPo­len geschickt wurden. Es ist anzunehmen, dass beide das Polnische beherrscht­en. Dies war vor 100 Jahren auch unter den assimilier­ten ,preußische­n Polen’ noch der Normalfall.“

Bei der Reise des Herrn Wawrzik handelt es sich also offenkundi­g um eine Dienstreis­e. „Es wurde eine ganze Anzahl von Ortsnamen erwähnt, die nicht leicht zu entziffern waren und deren Schreibwei­se heute meistens eine andere ist“, sagt Feller. Der 75-Jährige konnte jedoch die einzelnen Stationen entziffern: Nowo Georg, Plonsk, Plock, Gostynin, Kutno, Lowitz und Sochaczew. Für einen Wochenend-Trip war Wawritz außerdem in Kalisz und Sierdaz unterwegs.

Dem heutigen Besitzer des Briefs lag die Transkript­ion am Herzen. „Der Brief befindet sich bereits seit über 20 Jahren bei unserer Familie“, sagt der junge Mann, der anonym bleiben will. Wie der Brief in den Besitz der Familie kam, ist unklar.

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„Wir haben hier schon starken Frost, ich habe mich ordentlich erkältet.“In dem Brief beschreibt ein Oberpost-Inspektor die Situation 1915 in Warschau.

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