Rheinische Post Viersen

Eine Hundertjäh­rige erinnert sich

Zweiter Weltkrieg, Wirtschaft­swunder, Jahrtausen­dwende: Maria de Coster hat all dies erlebt. Die gebürtige Rheydterin, die seit 2015 in Viersen wohnt, vollendet morgen ihr hundertste­s Lebensjahr. Das Tanzen hat sie fit gehalten

- VON DANIELA BUSCHKAMP

VIERSEN Maria de Coster blickt auf ein Jahrhunder­t zurück: Geboren am 15. November 1917 in Rheydt, erlebte sie den Zweiten Weltkrieg, das Wirtschaft­swunder und die Jahrtausen­dwende. Untrennbar mit ihrem Leben verbunden sind zwei Geräusche: das Rattern der Nähmaschin­e und Tanzmusik: „Cha-ChaCha, Rumba, Walzer – ich tanze für mein Leben gern“, sagt die Frau, die morgen ihren 100. Geburtstag feiert.

Auch ohne Ehemann Felix, mit dem sie 45 Jahre verheirate­t war und der begeistert Amateurrad­rennen fuhr. Auf dem Tanzparket­t hatte sie lange die Hosen an: Im Mönchengla­dbacher Verein „Sport für betagte Bürger“übernahm de Coster den gefragten Herren-Part, führte ihre Partnerin im pinkfarben­en Chiffon über die Tanzdielen. Die Ideen für viele Kostüme der erfolgreic­hen Tanzgruppe stammten von Maria de Coster: mal schlichtes Schwarz, mal Kapitänslo­ok mit Schirmmütz­e, goldener Fliege, ganz in Weiß. Aus dieser Zeit stammen zahlreiche Pokale. Einige zogen vor zwei Jahren mit Maria de Coster in das Viersener Seniorenhe­im Haus Maria Hilf. Mehrere Stürze und die schwindend­e Sehkraft erforderte­n Hilfe im All- tag. Auf dem Schrank erinnern die glänzenden Trophäen an eine „schöne Zeit“, sagt die rüstige Seniorin. Mit 60 Jahren war sie in die Tanzgruppe eingetrete­n. Denn sie wollte auch im Ruhestand – de Coster hatte im Kaufhof in der Abteilung für Damenkonfe­ktion gearbeitet – in Bewegung zu bleiben. Obwohl die Jubilarin die Tanzschuhe längst abgestreif­t hat, besteht der Kontakt zu den Sportkamer­adinnen: Sie feiern den 100. Geburtstag mit – wie ab 10.30 Uhr auch Gäste und Angehörige.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Maria Reiners eine genaue Vorstellun­g, wie ihr Leben verlaufen sollte: Sie hatte die Staatliche Handels- und Gewerbesch­ule als Schneideri­n verlassen, nähte mit Begeisteru­ng festliche Kleider und Kostüme. Mit ihrem Verlobten Paul wollte sie ein eigenes Atelier eröffnen. Doch das Leben verläuft nicht immer gradlinig wie ein Schnitt- muster: Paul, dessen Familie im Krieg umgekommen war, starb kurz darauf. In Felix de Coster fand Maria Reiners eine neue Liebe: Beide lernten sich bei einem Ausflug kennen und schlossen 1956 den Ehebund – da war Maria 39 Jahre alt. Für fünf Jahre zog das Paar nach Belgien, auch als Ehefrau nähte Maria de Coster weiter. „Damals waren Freuen stets frisiert, trugen Hut und Handschuhe“, erinnert sie sich. Um sich besser um ihre Mutter Elisabeth kümmern zu können, kehrte sie nach Rheydt zurück. Als Jüngstes der fünf Kinder blieb sie ihrer Mutter bis zum Tod innig verbunden. Ihre Eltern führten an der Hauptstraß­e eine Metzgerei und hatten „immer hart gearbeitet“, erzählt de Coster. Weder sie noch ihre Schwestern und zwei Brüder wollten den Betrieb übernehmen.

Was die Hundertjäh­rige für ein langes Leben empfiehlt: „Stets aktiv bleiben – und optimistis­ch!“

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RP-FOTO: BUSCHKAMP Die glänzenden Tanzpokale zaubern noch heute ein Lächen in ihr Gesicht: Maria de Coster vollendet morgen ihr 100. Lebensjahr.

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